Donnerstag, 24. Mai 2012

EU-Gipfel und Facebook-Debakel: In Europa und an der Wall Street wird auf Position gepokert


EU-Sondergipfel

Entschieden ist nichts. Niemand hat seine Karten auf den Tisch gelegt. Mehr gibt es zum EU-Sonder- oder auch Wachstumsgipfel nicht zu sagen.
Die Karten wird François Hollande, dessen Gipfel der gestern in Brüssel abgehaltene ja eigentlich war, auch vorerst nicht auf den Tisch legen. Nichts wird sich bewegen, nichts wird entschieden – jedenfalls nicht vor dem 17. Juni.
Am 17. Juni entscheiden nicht nur die Griechen – zum zweiten Mal in diesem Jahr – über die Zusammensetzung des Parlaments und wer künftig von Athen aus das Land regieren soll. Auch in Frankreich wird an diesem Tag über die künftige Zusammensetzung der Nationalversammlung entschieden und der neue sozialistische Präsident wird gewiss nichts sagen oder tun, was die Chancen auf eine Mehrheit seiner sozialistischen Partei im Parlament schmälern könnte.

Neuwahl in Griechenland

Bei der Wahl in Griechenland gibt es nur eine wichtige Frage: Wie viele Wählerstimmen bekommt die links-radikale Syriza von Alexis Tsipras?
Das griechische Wahlrecht, das es den bisher führenden Parteien Nea Dimokratia und PASOK immer erleich-terte, jeweils alleine zu regieren, macht unter den gegenwärtigen Bedingungen eine Regierungsbildung zu einer schwierigen Angelegenheit. Die Nea Dimokratia hat – im Gegensatz zur PASOK – nach den Umfragen Chancen, doch wieder stärkste Partei zu werden und damit den Bonus von 50 Parlamentssitzen erhalten, der die Regie-rungsbildung erleichtert. Auch schmiedet sie mit kleineren Parteien, die es am 6. Mai nicht ins Parlament schafften, ein Bündnis - offenbar erfolgreich. (1) Auch andere Parteien sind bestrebt, Bündnisse zu formen, um so den Einzug ins Parlament zu schaffen respektive möglichst viele Sitze zu erlangen. (2)
Dennoch ist völlig offen, wie sich die Griechen, denen die Tücken des griechischen Wahlsystems ja bekannt sind, am 17. Juni tatsächlich verhalten werden.
Von außen betrachtet mag der Eindruck entstehen, als stünde die Entscheidung für oder gegen das europäische Spardiktat im Vordergrund. In der Presse der Euro-Partnerländer Griechenlands wird zudem der Eindruck erweckt, als würde von den Griechen eine Entscheidung für oder gegen den Verbleib im Euro erwartet. Doch das dürfte nichts daran ändern, dass es sehr vielen Griechen durchaus insbesondere darum gehen könnte, das bisherige, auf die Nea Dimokratia und die PASOK zugeschnittene politische System zu verändern. Wenn das so ist, werden viele ihre Stimme jener Partei geben, die am wahrscheinlichsten in der Lage ist, stärkste Partei und zudem stark genug zu werden, um solche Veränderungen in die Wege leiten zu können.

Facebook-Börsendebakel

Gepokert wird nach dem Spekulationsdebakel bei JP Morgan und dem immer weitere Kreise ziehenden Facebook-Börsendebakel aber auch an der Wall Street.
JP Morgan hatte mit dem milliardenschweren und rasch weiter angeschwollenem Spekulationsverlust mit Deriva-ten die Aufmerksamkeit von Aufsichtsbehörden, der Justiz und des FBI Presse auf sich gezogen und stand damit im Fokus von Presse und Medien. (3) (4) Das hat sich durch den katastrophal verlaufenen Facebook-Börsenstart und die nun in rascher Folge auftauchenden Details über die Hintergründe und Zusammenhänge des Aktien-Debakels geändert. Jetzt blickt alles auf Facebook und die für den Börsengang hauptverantwortliche Bank, Morgan Stanley.
Nach dem verpatzten Börsenstart und angesichts in rascher Folge eingereichter Klagen sowie eingeleiteter Untersuchungen, hat in der Öffentlichkeit zwischen den Beteiligten eine Art „Schwarzer-Peter“-Spiel begonnen.
Anfangs blickte wegen der technischen Pannen zunächst alles auf die Nasdaq. Nachdem der Kurs der Facebook-Aktie zu Beginn der Woche jedoch auf Talfahrt ging und zugleich bekannt wurde, dass es gute Gründe für eine deutlich niedrigere Bewertung des Papiers gibt, die Facebook und den Banken, die den Börsengang begleiteten (Morgan Stanley, JP Morgan und Goldman Sachs) vor dem Börsengang sehr wohl bekannt waren, aber, so heißt es, nur an ausgewählte Kunden weitergegeben wurden, stehen nun Facebook selbst und die Banken im Blickpunkt. (5) (6) Als Konsortialführer und damit hauptverantwortliche Bank geriert dann sehr rasch Morgan Stanley unter Druck. (7) Zwischenzeitlich wurde bereits damit begonnen, die Verantwortung für das Debakel, dessen Ausmaß ja noch gar nicht bekannt ist, weil die Untersuchungen noch gar nicht richtig begonnen haben, zu personalisieren. Bei Facebook wurde der Finanzchef David Ebersman als vermeintlicher Sündenbock ins Visier genommen und bei Morgan Stanley Michael Grimes, der für die Technologiesparte zuständige Co-Direktor für das Bankgeschäft. (8)
Das heißt natürlich noch gar nichts. Das Interesse der Politik (9), Untersuchungen und Klagen beziehen sich mehr oder weniger auf alle Beteiligten, einschließlich der Altaktionäre. JP Morgan hat zudem auch noch seinen eigenen Spekulationsskandal. Die bisherigen Spekulationsverluste kann die Bank zwar offensichtlich noch gut verkraften. Sie ist breiter aufgestellt als die Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley und gerade auch deswegen gut durch die Krise gekommen. Was die laufenden Untersuchungen – in beiden angesprochenen Fällen – erbringen, ist indes auch für JP Morgan noch eine ganz andere Sache. Abgesehen davon will niemand öffentlich als Sünder dastehen. Denn öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt Druck und den kann, vor allem wenn er über einen längeren Zeitraum hoch ist, keine der Wall-Street-Banken gebrauchen. Er schwächt nicht nur die Position im laufenden US-Regulierungspoker, sondern kann auch zu einem ernsten Problem werden, wie wir aus dem Fall Lehman Brothers wissen.
Das Börsendebakel allein ist gewiss schon ein schwerer Schlag für die Geschäftsinteressen insbesondere Morgan Stanleys. In Presse und Medien möglicherweise über Wochen als möglicher Hauptverantwortlicher oder gar mutmaßlicher Sünder dazustehen, wäre ein Albtraum. Vielleicht wäre es schon hilfreich, wenn der Kurs der Facebook-Aktie wieder stiege.
JP Morgan und Goldman Sachs werden sehr bemüht sein, in dieser Sache nicht in den Vordergrund gezerrt zu werden. Aber die Regulierungsdebatte läuft und die USA befinden sich im Wahlkampf. Das macht einen Unter-schied.

2 Kommentare:

  1. Bei Facebook war einfach zu viel Gier im Spiel. Warum kann man das Ding nicht mit einer moderaten Bewertung an die Börse bringen? Es ist doch egal, ob nun Zuckerberg ein paar Milliarden Dollar mehr oder weniger privat besitzt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich könnte mir vorstellen, dass es gerade die beteiligten großen US-Banken waren, die die Geschichte pushen wollten bzw. vielleicht sogar mussten. Die drei gehören zu den größten Derivateplayern und viele Euro-Wetten könnten letztlich platzen, weil der bisherige Krisenkurs in Europa, der in erster Linie als totsicherer, dauerhafter Antrieb des Casinobetriebes angesehen werden muss, nicht mehr fortgesetzt werden wird. Damit wird die Luft für die eine oder andere Zombiebank vielleicht einfach dünn. Und jetzt wird eingesackt, was noch eingesackt werden kann.

      Grüße
      SLE

      Löschen