Die
Wall Street ist schockiert von den Plänen der Fed, die neuen Eigenkapitalregeln
gemäß Basel III in den USA umzusetzen. Denn die US-Banken müssten dann – ab 2019 – gut dreimal
so viel Eigenkapital vorhalten wie heute (sieben statt zwei Prozent). (1) Ob
der Fed das wohl tatsächlich gelingt? Die US-Finanzlobby ist, wie wir wissen,
stark und einflussreich. Sie hat das immer wieder unter Beweis gestellt.
Das
Thema ist in den USA hoch aktuell – gerade auch deswegen, weil der prominenteste
Gegner einer strengeren Regulierung der Banken in den USA auch als aktuellstes
Beispiel für die ineffektive Regulierung im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht:
Jamie Dimon.
Wie
hoch der anfangs auf zwei Milliarden Dollar veranschlagte (2) Verlust aus
schief gegangenen Spekulations-geschäften mit Credit Default Swaps (CDS) von JP
Morgan wirklich ist, das hat der Chef der US-Großbank, Jamie Dimon, auch
gestern bei der wegen dieses Vorfalls anberaumten Anhörung im US-Senat nicht
verraten. (3) Aus seiner Sicht ist der Verlust allein auf das Versagen der
verantwortlichen Mitarbeiter zurückzuführen. Dass sich Ähnliches in der Zukunft
wiederholt, hält er aufgrund ergriffener Gegenmaßnahmen für ausgeschlossen. Er
betonte vor den Senatoren deswegen auch, der Fehler liege auf gar keinen Fall
im System. Schließlich müssten Banken Risiken eingehen, um ihren Dienst an der Gesellschaft
auch richtig ausüben zu können (4) – was auffällig an die Aussage von Lloyd
Blankfein, dem Chef von Goldman Sachs, erinnert, die im November 2009, unter
dem Eindruck der Ursachen und Folgen der Lehman-Pleite, weltweite Empörung
auslöste.
Blankfein
hatte damals gesagt: „Wir helfen den Unternehmen zu wachsen, indem wir ihnen
helfen, Kapital zu bekommen. Unternehmen, die wachsen, schaffen Wohlstand. Und
das wiederum ermöglicht es den Menschen, Jobs zu haben, die noch mehr Wohlstand
schaffen.“ Banken, so seine Schlussfolgerung, haben einen gesell-schaftlichen
Zweck und verrichten „Gottes Werk“. (5)
Andreas
Schmitz, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) und Sprecher des
Vorstands von HSBC Trinkaus & Burkhardt distanzierte sich damals praktisch
als einziger seiner Zunft in einer bemerkens-werten Rede mit harten Worten von
Blankfein. Kollegen würden der Verblendung erliegen, konstatierte er, wenn sie
behaupteten, Banken vollführten in allem, was sie tun, doch nur „Gottes Werk“.
„Unsäglich“ seien diese Äußerungen angesichts der Tatsache, dass man das Vertrauen
der Menschen wiedergewinnen müsse. Nur ungern spreche er in diesem Fall von
Kollegen, sprach von einem „Teufels Beitrag“ und dass Banken dieses Kalibers
unter Realitätsverlust litten. Göttlich sei allein die Tatsache, dass aus dem
Nichts Gewinne geschöpft werden. (6)
Und einmal
mehr fühlt man sich an die „Ungehaltene Rede“ des Bankiers Ludwig Poullains zum
Sittenverfall im Bankwesen erinnert, die diese Zustände antizipierte, die ihn
seine Kollegen seinerzeit – im Sommer 2004 - nicht halten lassen wollten. (7)
Es
ist darum nicht einfach nur erschreckend, sondern zutiefst erschütternd, wie
nun die nahezu identische Position Jamie Dimons, die er im Zusammenhang mit denselben
hoch riskanten und intransparenten Geschäften, die in den Jahren 2007 und 2008 die
weltweite, immer noch nicht überwundene Finanzkrise auslösten, vertritt, von
den US-Senatoren ohne Murren und Wimpernzucken geschluckt worden ist.
Wie
tief können Politiker sinken? Das ist eine Frage, die man sich angesichts
dessen beinahe reflexhaft stellen muss.
Und
all das geschieht in dem Land, das diese Finanzkrise auslöste und nach wie vor
ungebremst seine Staats-verschuldung in die Höhe treibt. Im Internet zeigt der
rasende Zähler der „US Debt Clock“ mittlerweile an, dass allein die Schulden
der US-Bundesregierung in Washington auf über 15 700 Milliarden US-Dollar
angewachsen sind. (8) Vor einem Jahr hatten sie die damalige Schuldengrenze von
14 300 Milliarden Dollar erreicht. Nur zum Vergleich: Die Staatsschulden
von Spanien, lagen Ende 2011 bei 735 Milliarden Euro, die von Griechenland zum
selben Zeitpunkt bei 350 Milliarden Euro.
Niemand
fragt, wie die USA dieses Schuldenproblem jemals lösen wollen, wo Washington
doch – und das ist nur ein Problem – widerstandslos zulässt, dass die US-Finanzindustrie
weiterhin Schwindel erregende Risiken eingeht. Denn das heißt nichts anderes, als
dass die US-Regierung de facto bereit ist, für die daraus mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit früher oder später erneut erwachsenden großen finanziellen
Schäden gerade zu stehen.
Das
ist unglaublich, bizarr und surreal.
Und
gleichzeitig senkt nun, nachdem zuvor die Ratingagentur Fitch dasselbe getan
hat, auch die US-Rating-agentur Moody´s die Bonitätsnote Spaniens um gleich drei
Stufen, von „A3“ auf „Baa3“. (9) Und das ungeachtet der Tatsache, dass Spanien
sich inzwischen der finanziellen Absicherung der Sanierung seiner maroden
Banken durch die Euro-Gruppe sicher sein kann und die Staatsverschuldung mit
für das Jahr 2012 erwarteten 79 Prozent des Bruttoinlandsproduktes noch immer eine
der niedrigsten in der Euro-Zone ist. (10)
Zwar
gibt es in Spanien ebenso wie in den USA eine enorme Belastungen verursachende
Immobilienkrise. Das ist unbestreitbar. Aber die Hochburg des etwa 650 000
Milliarden Dollar schweren internationalen OTC-Derivate-Karussells, das sich,
wie der Fall JP Morgan zeigt, nach wie vor schnell dreht und die wirklich
großen finanziellen Risiken birgt, liegt nicht in Spanien. Es liegt in den USA,
an der Wall Street. Nur fünf US-Großbanken stehen (auf Holdingebene) für
nominal 290 000 Milliarden Dollar des Derivatemarktes. Unangefochten an
der Spitze steht dabei die Bank JP Morgan, die Derivate im Wert von nominal 71 000
Milliarden Dollar in ihren Büchern stehen hat. (11)
Die Ratingagenturen
stufen europäische Schuldenstaaten herab, an den Märkten treibt das die
Risikoprämien und Zinsen für deren Staatsanleihen in die Höhe. Weil dies fortgesetzt
geschieht, sind diese Staaten früher oder später dazu gezwungen unter den
europäischen Rettungsschirm zu schlüpfen, der deswegen schrittweise immer
weiter vergrößert werden „muss“. Im Gegenzug verpflichtet die Euro-Gruppe die
Schuldenstaaten zu einem drastischen Sparkurs – der diese Staaten
wirtschaftlich und finanziell immer weiter in die Knie zwingt.
Den Ratingagenturen
ist das gleich und den Finanzmarktakteuren ist es recht. Es wird weiter
herabgestuft, Risikoprämien und Zinsen für Bonds steigen weiter, die
Euro-Gruppe und die EZB spülen immer mehr Geld ins System und es bestehen beste
Aussichten, dass weitere Euro-Staaten in diesen Sog geraten. Europäische Banken
mögen nach und nach in Schieflage geraten. Auch das ist den Finanzmärkten egal,
so lange diese nur gerettet werden respektive der finanzielle Schaden von den
jeweiligen Staaten oder der Euro-Gruppe übernommen wird. Denn das Derivate-
bzw. Wett-Karussell dreht sich in berauschendem Tempo weiter und so lange es
das tut, gibt es zumindest für einige sehr, sehr viel Geld zu verdienen.
Die
ganze Euro-Zone liegt auf dem Spieltisch und gefällt sich in der Opferrolle, augenscheinlich
ohne sich dessen bewusst zu sein: Die Europäer unternehmen nichts. Sie streiten
nur darüber, welches Mitgliedsland wie viel an die Spielbank zu zahlen hat,
wenn diese das Spiel gewinnt.
Man
meint beinahe, Leute in Büros an der Wall Street lauthals lachen hören zu
können.
Das
ist unglaublich, bizarr und surreal.
... Ob sie auch lachen, wenn in Griechenland am kommenden Sonntag das Linksbündnis Syriza die Parla-mentswahl gewinnt? Wir werden sehen.
Die Krise wird sich nur lösen lassen, wenn die Europäer sich wehren und den perversen Marktmechanismus durchbrechen. Dafür brauchen sie entweder einen "Lender of last resort", der sich gegen die Märkte stellt, idealerweise die EZB (wie das praktisch aussehen kann, ist z.B. im Blog "Never mind the markets" nachzulesen; Nomen est omen!). Oder sie müssen den Stier bei den Hörnern packen und ihn gemeinsam bändigen, z.B. durch Bankenunion und Eurobonds.
AntwortenLöschenDer Grundfehler der Währungsunion war, dass sie die Staaten jedes Instrument genommen hat, sich gegen die "irrationalen Überschwang" der Märkte zu wehren. Merkels größter Fehler ist, dass sie bisher alles verweigert, was diese Willkür beenden könnte.
http://lostineurope.posterous.com/its-the-markets-not-merkel
Erst mal haben die Amis meines Wissens sogar Basel II ausgesetzt. Dieses Basel II verpflichtet die €-Banken, so, wie ich es verstehe, Staatsanleihen bei schlechterem Rating mit mehr Eigenkapital zu hinterlegen. (2019 ist noch lang hin, da steht schon der nächste crash direkt vor der Tür.) Während Hypotheken und ABS eben nicht in dem Maße mit EK hinterlegt werden müssen. Das ist die Ursache für die Immobilienblasen gewesen. Nichts anderes. Außerdem hat die €-Zone die EK-Regeln im Mai zusätzlich verschärft. Da muss sie sich nicht wundern, wenn Fonds und Banken schlechter geratete Staatsanleihen auf den Markt kegeln müssen, sowie bestimmte Ratings unterschritten werden. Das begründet nämlich die unbegrenzte Macht der Ratingagenturen über €uropa ganz gut. Die Derivate sind ja gewöhnlich nicht durch EK zu hinterlegen. Eine höhere EK-Quote kann man natürlich erzielen, indem man entweder das EK beschafft (was z.Z. unmöglich sein dürfte) oder die zu hinterlegenden Papiere auf den Markt wirft. Wir werden wieder mal für dumm verkauft. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bank durch mehr EK einen Run übersteht, tendiert gegen Null. Das bewies der Untergang der DEXIA. Beim heutigen Geldschöpfungskreislauf, der in der Schaffung des "Geldes" aus dem Nichts und nach Tilgung des Kredites aus dem Verschwinden des "Geldes plus Zentralbankzins" im Nichts besteht, muss es definitiv nach jedem Kreditexess, egal wann und wo auf der Welt, zu einer Pleitewelle kommen. Denn der Zins fehlt unter dem Strich. Dieser Zins sind bei solideren Haushalten die Wachstumsraten der Staatsschulden. Null Neuverschuldung durch Schuldenbremse bedeutet Deflation in Höhe der Verzinsung.
AntwortenLöschenNun gab es nicht nur die Immobilienblasen, sondern auch noch Kreditexesse durch Osterweiterung der EU und die Globalisierung. Da ist noch lange noch nicht alles auf dem Prüfstand.
Die anderen Teile der Staatshaushalte müßten durch Steuern eingetrieben werden. Theoretisch. Auch am Beispiel USA erkennt man, dass das manchmal etwas lax gehandhabt wurde. Das wird sich schon ändern, weil nämlich sonst das Geldsystem untergeht. Die Worte von HeliBen zum Repräsentantenhaus waren schon bemerkenswert deutlich. Die Märkte brauchen nicht auf QE3 spielen, das wird es nicht geben, sofern nicht die €-Zone hyperventiliert. Mit der Griechen-Wahl gäbe es ja durchaus Gründe für die Märkte ins Koma zu fallen. Bei einem GREXIT würden die Engländer ja wohl auch erst mal 250 Mrd. Pfund verlieren. (Deshalb heute Vorflutung durch BoE.) Die Franzosen kaum weniger. Die Italiener wären auch kräftig dabei. Bei Neuer Drachme gehen nicht nur die Staatsanleihen über die Wupper. Da ist viel mehr drin. :-)
Prinzipiell ist diese Komödie der Kampf der Finanzwirtschaft i.e.S. gegen die Nationalstaaten. Die Banker fordern nicht zu Unrecht stabiles Geld, das ist der Euro auch mit irgendwelchen Quacksalbertöpfchen nach dem haircut für Griechen - Staatsanleihen nicht mehr. Eine Währung, in der Staatsanleihen ausfallen können, erfüllt nicht mehr die Kriterien einer Währung. Eine Währung, in der Staatsanleihen nachrangig sein können, ist eine unfassbare Zumutung. Das ist der sogenannte Euro.