Es ist zudem einschränkend zu ergänzen,
dass in der Datenbank nicht für alle Länder Einkommensdaten in gleichem Umfang
und Detaillierungsgrad verfügbar sind. Sie werden ferner zum Teil in
unterschiedlicher Weise erhoben (z. B. Einkommen von Erwachsenen, Familien oder
Steuereinheiten) und sind deswegen von den Wissenschaftlern entsprechend
aufbereitet worden, um Vergleichbarkeit herzustellen.
Es gibt also ähnlich wie auch für die
Vermögensdaten gravierende Schwächen bei der Erfassung der tatsäch-lichen
Einkommenssituation und –entwicklung innerhalb von Ländern sowie bei der
Vergleichbarkeit derselben zwischen Ländern.
Einkommenskonzentration in den USA, Großbritannien und Deutschland in der Langfristbetrachtung seit 1920
Bei den folgenden Charts für die
Entwicklung der Top-Einkommen in den USA, Großbritannien und Deutschland wurde
ein sehr langer Zeithorizont gewählt, um zu verdeutlichen, dass es in
Volkswirtschaften ein durchaus ähnliches Entwicklungsmuster gibt, das sich
zumindest zum Teil aus dem historischen Kontext der globalen Entwicklung der
Realwirtschaft und der Finanzmärkte erklären lässt.
Das markanteste Beispiel in der Gruppe der
Industriestaaten sind sicherlich die USA
(Abbildung 12 „Top 0,1, 1, 10
Percent Income Share 1920-2010 USA“). Für den Zeitraum 1920-2010 sind darin die
(Vor-Steuer-)Anteile der Top-10-, Top-1- und Top-0.1-Prozent der US-Einkommenspyramide
am gesamten US-Einkommen veranschau-licht. Für jede Einkommensgruppe zeigt der
Chart zwei Kurven, wobei die obere im Unterschied zur unteren auf Daten zum
Einkommen einschließlich Kapitalerträgen basiert. Es fällt auf, dass sich der
Abstand der Kurven für die Einkommensanteile mit und ohne Kapitalerträgen im
Zeitablauf verändert bzw. genauer gesagt, sich gerade in Zeiten von Peaks
besonders deutlich vergrößert und in Zeiten von ausgeprägten Rücksetzern besonders
stark reduziert. Das gilt für 1928 und ab etwa 1980 insbesondere für die
Top-1-Prozent Einkommensgruppe. Besonders interessant ist das deswegen, weil
die ausgeprägtesten Peaks übereinstimmend für alle drei Top-Einkommens-gruppen
in Boomzeiten und vor Finanzmarktcrashs auftraten: vor dem großen Börsenkrach
und der ersten Weltwirtschaftskrise (1929), vor Beginn des Zweiten Weltkriegs
(1936), vor dem Börsencrash 1987, dem Platzen der New Economy Blase (2000), der
US-Hypothekenkrise (2007).
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1928
betrug der der Abstand beim Einkommensanteil 3,2 Prozentpunkte in der
Top-10-Prozentgruppe gegenüber 3,35 Prozentpunkten (Top 0,1) und 4,34
Prozentpunkte (Top 1). Der Anteil der Einkommen inklusive Kapitaler-trägen am
gesamten US-Einkommen lag in allen drei Gruppen auf einem historischen Hoch,
nämlich bei 49,29 Prozent (Top-10-Prozent),
23,94 Prozent (Top-1-Prozent) und 11,54 Prozent (Top-0,1-Prozent).
2000
lag der Abstand zwischen den drei Kurvenpaaren bei 4,5 (Top 10), 3,75 (Top 0,1)
und 5,03 (Top 1). Der Einkommensanteil inklusive Kapitalerträge lag zu diesem
Zeitpunkt auf dem höchsten Niveau seit 1928, mit 47,61 Prozent (Top 10), 21,52
Prozent (Top 1) und 10,88 Prozent (Top 0,1).
2007
wurde der Rekord von 1928 geknackt. Die Top-10-Prozent-Gruppe (inkl.
Kapitalerträge) erreichte einen Anteil von 49,74
Prozent (bzw. 23,5 (Top-1) und 12,28 (Top 0,1)). Der Abstand zu den
Top-10-Prozent ohne Kapital-erträge betrug 4,07 Prozentpunkte (Top 0,1 = 4,12
und Top 1 = 5,17).
Betrachtet man einmal nur die drei Jahre
1928, 2000 und 2007, so zeigt sich, dass die Top-1- und Top-0,1-Gruppe
inklusive Kaptalerträge den Abstand zur selben Einkommensgruppe ohne
Kapitalerträge zu Zeiten von Peaks seit 1928 immer weiter vergrößern konnte.
Die Abstände in Prozentpunkten für die beiden Gruppen betrugen in den drei
Jahren in aufsteigender Reihenfolge:
Top 0,1 Prozent: 3,35
– 3,75 – 4,12 (2007)
Top 1 Prozent: 4,34
– 5,03 – 5,17 (2007)
Das ist ein Hinweis darauf, dass sich die
Einkommensentwicklung nicht nur aus der realwirtschaftlichen Entwicklung
erklärt, sondern gerade auch aus der zum Teil davon unabhängigen Entwicklung an
den Börsen bzw. Finanzmärkten. Denn die Crashs waren ja eindeutig ein Zeichen
für Blasen bzw. dafür, dass die Finanzmarktbe-wertungen sich nicht mehr im Einklang
mit den realwirtschaftlichen Fundamentaldaten befunden haben.
Noch ein weiterer Punkt fällt bei der
Betrachtung des Charts auf. In der Nachkriegsphase, das heißt zwischen 1944 und
Ende der 70er Jahre, befand sich der Einkommensanteil aller drei Top-Einkommensgruppen
dauerhaft auf einem für US-Verhältnisse historisch niedrigen Niveau und ist in
der Top-1- und Top-0,1-Prozent-Gruppe sogar leicht gesunken. Ab 1978 ist jedoch
für alle Top-Einkommensgruppen ein steiler, wenn auch durch einzelne, crashbedingte
Rücksetzer unterbrochener Anstieg der Einkommensanteile festzustellen.
Beim Blick auf die Abbildung 13, die die Entwicklung der gleichen
Einkommensgruppen für denselben Zeitraum für Großbritannien zeigt, wird deutlich, dass dieser Anstieg kein
US-spezifisches Kennzeichen ist. Für Großbritannien liegen allerdings nicht für
alle drei Einkommensgruppen Daten für den gesamten betrachteten Zeitraum vor.
Zudem gibt es keine differenzierten Daten für Einkommen mit und ohne
Kapitalerträge. Ferner hat es bei der statistischen Datenerfassung Ende der
80er Jahre eine Veränderung gegeben (bis dahin wurden „tax units“ erfasst,
danach „adults“).
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Die Anteile aller drei
Top-Einkommensgruppen in Großbritannien bewegten sich zwischen Ende der 70er
Jahre und 2009 durchgehend mehr oder weniger knapp unterhalb derer für die entsprechenden
Gruppen in den USA.
1978 lagen die Anteile der drei britischen
Einkommensgruppen bei 27,78 (Top 10), 5,72 (Top 1) und 1,24 Prozent (Top 0,1)
gegenüber 32,44 (Top 10), 8,95 (Top 1) bzw. 2,65 Prozent (Top 0,1) in den USA
(ohne Kapitalerträge).
Im Peak-Jahr 2007 lagen die entsprechenden
Anteile in Großbritannien bei 42,61, 15,44 und 6,05 Prozent, was einer
Steigerung um 14,83, 9,72 bzw. 4,81 Prozentpunkte entspricht oder anders
ausgedrückt einer Vergrößerung des Anteils am Gesamteinkommen um 53,38 Prozent
(Top 10), 169,93 Prozent (Top 1) bzw. 387,9 Prozent (Top 0,1) entspricht.
In den USA vergrößerten die
Top-Einkommensgruppen im Zeitraum 1978-2007 ihre Anteile (inkl. Kapitalerträge)
hingegen um „nur“ 40,78 (48,52) Prozent (Top 10), 130,57 (162,57) Prozent (Top
1) und 292,31 (363,4) Prozent (Top 0,1).
Zu berücksichtigen ist dabei natürlich das
geringere Niveau, von dem aus sich die Anteile in Großbritannien vergrößerten.
Vergleicht man die prozentualen Steigerungen der Top-Einkommen in
Großbritannien mit denen in den USA einschließlich der Kapitalerträge (Werte in
Klammern), so sind die Steigerungen in allen Gruppen annähernd gleich groß.
Betrachtet man in diesem Zusammenhang
einmal exemplarisch die USA, so lässt sich feststellen, dass die
Einkommensentwicklung dort in den verschiedenen Einkommensgruppen der gesamten
Einkommenspyramide bis Mitte der 70er Jahre demselben Pfad folgte. Erst danach
öffnete sich die Einkommensschere.
Wie sehr, das verdeutlicht die
nachfolgende Abbildung 14 „Income Gains Widely Shared in Early Postwar
Decades“ (3). Dargestellt sind in dem Chart die prozentualen
Einkommenssteigerungen (vor Steuern)(1973 = 100 Prozent) für die obersten fünf
Prozent der US-Einkommenspyramide im Vergleich zu denen des fünften und des
zweiten Zehntels. Die Darstellung spricht für sich und bedarf deswegen keines
weiteren Kommentars.
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In Abbildung 15
„Income Gains at the Top Dwarf …” ist
veranschaulicht, welche Einkommenssteigerungen ausgewählte Einkommensgruppen in
den USA seit 1979 bis 2007 beim versteuerten Einkommen realisieren konnten. (4)
Die Top-1-Prozent-Gruppe hat mit 277 Prozent bis 2007 alle anderen Gruppen weit
hinter sich gelassen. Das gilt selbst für die in der Hierarchie direkt
unterhalb der Top-1-Prozent liegenden nächsten 19 Prozent, die ihr Einkommen
lediglich um 65 Prozent steigern konnten. Das sechste Zehntel der
US-Einkom-menspyramide kommt auf 38 Prozent, die unteren 20 Prozent hingegen nur
auf eine Einkommenssteigerung von 18 Prozent im angegebenen Zeitraum von knapp
30 Jahren. Bemerkenswert ist ferner, dass die unteren 20 Prozent zwischen 1979
und 1995 sogar permanent unterhalb des Einkommensniveaus von 1979 lagen. 2007
begann zudem erst die US-Hypotheken- und im darauffolgenden Jahr die
Finanzmarktkrise, in der die Einkommen einbrachen.
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Für Deutschland
verlief die Einkommensentwicklung in den Gruppen der Top-10-, Top-1- und
Top-0,1-Prozent deutlich weniger ausgeprägt und die Einkommenskonzentration lag
nochmals auf einem niedrigeren Niveau als in Großbritannien, wie Abbildung 16 veranschaulicht. Im
Chart wird in den drei Einkommensgruppen – wie schon im Fall der USA – nach
Einkommen mit und ohne Kapitalerträgen differenziert, jedenfalls im Zeitraum
1950-1998). Allerdings liegen im Falle Deutschlands nicht so viele Datenpunkte
vor wie für die USA und Großbritannien. Gleichwohl ist auch im Falle Deutschlands
eine Steigerung des Anteils der drei Top-Einkommensgruppen am Gesamteinkommen
ab etwa Mitte der 80er Jahre festzustellen – wiederum unterbrochen von
Rücksetzern (Phase nach der Wiedervereinigung, Platzen der New Economy Blase).
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1980 lagen die Anteile der drei Top-Einkommensgruppen
(mit Kapitalerträgen) in Deutschland bei 31,85 (Top 10), 10,72 (Top 1) und 4,17
Prozent und damit immerhin klar über den entsprechenden britischen Werten für
das Jahr 1981, insbesondere bei den Top 1 und Top 0,1 (31,03 %, 6,67 % und 1,53
%). Die Deutschen haben in der Top-1- und Top-0,1-Prozent Gruppe 1980 ebenfalls
ihre amerikanischen Pendants übertroffen, nicht aber in der
Top-10-Prozent-Gruppe (34,63 %, 10,02 % und 3,41 %).
Bemerkenswert ist bezüglich der
Einkommensentwicklung in Deutschland jedoch, dass es ab Ende der 70er Jahre
keine mit den USA und Großbritannien vergleichbar starke Steigerung der Anteile
der Top-Einkommens-gruppen gegeben hat, mit Ausnahme der Top-10-Prozent-Gruppe. Allerdings
hängt das natürlich auch mit dem bereits hohen Niveau zusammen, auf dem die
Anteile der Top 1 und Top 0,1 Prozent in Deutschland Ende der 70er Jahre
bereits lagen.
Im Zeitraum 1980 bis zum Peak in 2007
steigerten die drei Top-Einkommensgruppen ihren Anteil (mit Kapital-erträgen) am
Gesamteinkommen in Deutschland um 6,25 Prozentpunkte auf 38,11 Prozent (Top
10), um 1,99 Prozentpunkte auf 12,71 Prozent (Top 1) und um 1,13 Prozentpunkte auf
5,3 Prozent (Top 0,1). Das entspricht Steigerungen um 19,65 (Top 10), 18,56
(Top 1) und 27,1 Prozent (Top 0,1).
Vergleicht man die Anteile der drei
Top-Einkommensgruppen in den drei Ländern in den Jahren 1980 und 2007, so
ergibt sich folgendes Bild (siehe Tabelle 3):
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Beim Blick auf die Tabelle 3 und die
Anteile in den Jahren 1980 und 2007 wird deutlich, dass die USA und auch
Großbritannien beim Stand von 2007 Deutschland in allen Top-Einkommensgruppen
überholt haben. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die Anteile
der Top-Einkommensgruppen in Deutschland im internationalen Vergleich (siehe
dazu Teil 4) auf einem sehr hohen Niveau befinden und insofern auch nicht
von einer ausge-wogenen Einkommensverteilung gesprochen werden kann.
In Teil 4 wird die
Einkommensentwicklung in anderen Ländern untersucht, wobei insbesondere solche
Staaten betrachtet werden, die auch in der Analyse der Vermögenskonzentration
in Teil 1 und Teil 2 behandelt wurden, einschließlich europäischer
Schuldenstaaten.
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