Doch anders als bisher bewegten die
EU-Gipfelbeschlüsse die Börsen dieses Mal nicht.
Das gelang vielmehr Google mit einer zu früh,
das heißt, während des noch laufenden Handels an der Wall Street
veröffentlichten Meldung von Quartalszahlen zur Umsatz- und Gewinnentwicklung. Während
der Umsatz um satte 45 Prozent auf 14,1 Milliarden Dollar stieg, gab es beim Gewinn
im dritten Quartal wegen deutlich gestiegener Kosten und geringerer
Werbeeinnahmen einen Rückgang um 20 Prozent auf immerhin noch 2,18 Milliarden
Dollar. Daraufhin brach die Google-Aktie zeitweise um mehr als 10 Prozent ein,
bis sie gegen Mittag New Yorker Zeit auf Wunsch von Google für zweieinhalb
Stunden vom Handel ausgesetzt wurde. Zum Börsenschluss lag das Minus dann bei
rund acht Prozent. (2)
Die ganze Sache wurde als Patzer
deklariert. Die für die Veröffentlichung zuständige Druckerei habe die
Presse-mitteilung versehentlich zu früh an die Börsenaufsicht SEC geschickt,
hieß es. Im außerbörslichen Handel notierte die Google-Aktie heute am Morgen
aber bereits wieder etwa zwei Prozent fester. (3) Das ist nicht unmöglich,
klingt aber irgendwie schon nach starkem Tobak.
Ob es nun ein Patzer war oder nicht – im
Grunde kann man diesen Vorfall auch als Test für die Reaktion der Börsen auf
schlechte Neuigkeiten aus den USA im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl und der
nahenden „fiskalischen Klippe“ auffassen. Denn der Fall Google und die
Indifferenz der Börsen gegenüber dem EU-Gipfel-beschluss zur EU-Bankenaufsicht zeigen,
dass der Blick der Märkte von Europa längst auf die USA geschwenkt worden ist.
Der gestrige „Patzer“ von US-Unternehmens Google
verdient deswegen – über die aus den Zahlen abzuleitenden Rückschlüsse für die
Entwicklung der Märkte, auf den Google operiert, hinaus – hohe Aufmerksamkeit. Denn
das Potenzial für schlechte Nachrichten aus den USA ist hoch. Vieles wurde dort
bisher erfolgreich unter den Teppich gekehrt sprich: aus den Medien
herausgehalten. Das ist nicht neu, sondern durchaus weithin bekannt. Nur wurde
darüber bisher kaum offen geredet.
Dass sich das jetzt geändert hat und nun
immer öfter direkt auf konkrete Gefahren hingewiesen wird – Zinssturm bei
US-Treasuries, Bonitätsabstufung der USA u.a. - und vermehrt gewagte Prognosen
bezüglich der Folgen im Falle des Akutwerdens abgegeben werden, ist ein klarer
Hinweis auf das Ausmaß an aufgestauter Unsicherheit. Es ist die Unsicherheit
darüber, wie ernst eine für immer wahrscheinlicher gehaltene neue
Krisensituation ausfallen wird, wo die Rettungsboote für die Investoren sind
bzw. ob es überhaupt noch welche gibt. Sind Staats-anleihen von Triple-A-Ländern
tatsächlich noch sicher und wenn ja, welche? Welche Währung ist sicher? Sind
Aktien sicher oder Rohstoffe, insbesondere Gold?
Das sind die Fragen, auf die aktuell mehr
denn je in den letzten Monaten eine zuverlässige Antwort gesucht wird.
Die Reaktion auf den „Patzer“ von Google, bisher
einem der größten und zukunftsträchtigsten börsennotierten Unternehmen, lässt
erahnen, als wie wenig sicher sich auch Aktien im Ernstfall erweisen könnten. Das
gilt umso mehr, weil gerade die globalen Märkte von einer Krise besonders hart
getroffen würden und damit insbesondere auch die Börsenschwergewichte.
Bedenkt man zudem, wie wenig erfolgreich
die Regierungen der führenden Industriestaaten bei der Bewältigung der Krise bisher
waren, die durch die geplatzte US-Immobilienblase und die Pleite der
US-Investmentbank Lehman Brothers ausgelöst wurde, dann wirft dies noch eine
ganz andere, viel bedeutendere Frage auf: Wird es den Regierungen und
Notenbanken beim nächsten Einbruch der globalen Märkte nochmals gelingen, diese
wieder zu stabilisieren und wenn ja, auf welchem Niveau?
Diese Frage ist nicht unwichtig, gerade
für all diejenigen, die Aktien von globalen Schwergewichten als „Rettungsboot“
ansehen.
Angesichts der widersprüchlichen oder
zumindest schwer deutbaren Fakten und Ereignisse der Gegenwart bleibt man letztlich
vielleicht an der einen oder anderen alten Faustregel oder Weisheit hängen. Hier
ein Tipp: „Small is beautiful“ ist der Titel eines Buches des britischen Ökonomen
E. F. Schumacher, das in der Ölkrise Mitte der 70er Jahre weite Beachtung fand.
Hat er mit dieser Formel vielleicht den Kern einer tieferliegenden Wahrheit
erfasst?
Das ist Stoff zum Nachdenken.
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