Mittwoch, 7. November 2012

US-Wahl: Alles bleibt beim Alten in Washington – der Präsident und die politische Lähmung

Die erste wichtige Nachricht aus den USA ist:

Barack Obama geht aus der US-Präsidentschaftswahl mit deutlichem Vorsprung als Sieger hervor und bleibt im Amt.
Die Washington Post hat drei zentrale Gründe für seine Wiederwahl ausgemacht: (1) Obamas Entscheidung, in der Krise die US-Automobilkonzerne zu retten, verschaffte ihm gerade im wichtigen US-Staat Ohio, in dem diese Industrie eine wichtige Rolle spielt, Rückenwind – 59 Prozent der Wähler dort befürworteten diese Maßnahme; seine Entscheidung, bestimmten illegalen Immigranten temporäre Bleibe- und Arbeitsrechte in den USA einzu-räumen, verschaffte ihm gerade in Florida die Stimmen von 60 Prozent der Latinos, 3 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl; sein viel gelobtes Krisenmanagement des Hurricans „Sandy“ war für 42 Prozent der US-Wähler ein wichtiger Faktor bei der Wahl.
Die zweite wichtige Nachricht ist:
An dem politischen Patt zwischen Demokraten und Republikanern hat sich durch die Wahlen nichts geändert.
Die Republikaner behalten die Mehrheit im Kongress, die Demokraten die im Senat und es sieht auch nicht danach aus, als habe sich etwas an der mangelnden Kompromissbereitschaft der beiden Parteien geändert. In zentralen Fragen, vor allem auch in der der Bewältigung der ausufernden Staatsschulden, prallen damit nach wie vor zwei Welten aufeinander.
Für Obama und seine Demokarten bedeutet der Wahlausgang zunächst, dass zwei Schlüsselprojekte, nämlich die Gesundheits- und die Finanzmarktreform (Dodd-Frank-Act), nicht rückgängig gemacht werden können. Die Wall Street hatte Mitt Romney in der Hoffnung unterstützt, dass er sie als Präsident wieder vom Haken der strengeren Regulierung lassen würde. Danach sieht es nun nicht mehr aus.
Im Gegenteil ist besonders bemerkenswert und vielleicht auch als Signal zu werten, dass Professor Elizabeth Warren, die an Harvard Vertrags-, Insolvenz- und Wirtschaftsrecht lehrt, die Wahl zum Senator von Massa-chusetts für sich und für die Demokraten entscheiden konnte. Denn sie gilt nicht nur als kundige Expertin und einflussreiche Beraterin Obamas in Sachen Finanzmarktregulierung sowie insbesondere auch für Verbraucher-schutz bei Finanzprodukten. Darüber hinaus war sie auch die Vorsitzende des Kongress-Ausschusses zur Untersuchung des Bankenrettungsprogramms TARP (Troubled Asset Relief Programm). Warren gilt als eine der energischsten und konsequentesten Verfechter der Zügelung der Wall Street und der Stärkung des amerika-nischen Mittelstands, dessen Niedergang sie in ihrer Forschungsarbeit an der Universität verfolgte und dokumen-tierte. (2) Ihr republikanischer Kontrahent und amtierender Senator, Scott Brown, war in den zurückliegenden Jahren hingegen als Verbündeter der Wall Street aufgefallen, der im Senat eine strengere Regulierung torpedierte. (3)
Barack Obama ist in seinem Wahlkampf inhaltlich allerdings sehr vage geblieben. Welche Schwerpunkte er in seiner zweiten Amtszeit setzen wird, hat er nicht deutlich gemacht. In jedem Fall gilt: Es wird seine letzte Amtsperiode sein und das bedeutet, er braucht keine Rücksicht mehr auf seine Wiederwahlchancen zu nehmen oder anders ausgedrückt nicht mehr eine Politik mit angezogener Handbremse zu fahren.
Ob er das will und wenn ja bei welchen Themen, ist unklar. Klar ist indes, dass er angesichts des weiterhin vorliegenden politischen Patts und der nach wie vor nicht vorhandenen Kompromissbereitschaft dieses Plus voraussichtlich nicht allzu erfolgreich wird ausspielen können. Die Republikaner werden ihn blockieren, wenn es um die Verteidigung ihrer zentralen Positionen geht.
Und so geschieht nun nach der Wahl genau das, was vorher von den meisten bereits prognostiziert worden war: Washington steuert sich selbst blockierend auf die fiskalische Klippe – massive Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen - am Ende des Jahres zu, die die US-Wirtschaft rasch nach unten, in die Rezession ziehen könnte.
Barack Obama hat heute Morgen in seiner Rede zur Wiederwahl in Chicago zu seinen Anhängern gesagt: „In unserem Herzen wissen wir, dass die besten Zeiten für die Vereinigten Staaten von Amerika noch kommen“. (4) Die Amerikaner sind für ihren unerschütterlichen Optimismus und ihre Tatkraft bekannt und Obama hat damit die amerikanische Seele gestreichelt.
Doch was ist ein unerschütterlicher Optimismus wert, in einem politisch gelähmten Land, dessen Wirtschaft nicht auf die Beine kommt und das in seinen Schulden zu versinken droht?
„Yes we can!“, Obamas Slogan im letzten Wahlkampf, hat sich als Illusion erwiesen. Auch in diesem Punkt hat die gestrige Wahl nichts geändert.

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