Nun hat also die Ratingagentur Moody´s Großbritannien das Spitzenrating
aberkannt. Statt „Tripple A“ wird die Kreditwürdigkeit des Landes nun mit Aa1
bewertet, allerdings bei stabilem Ausblick. Begründung: Die wirtschaftliche
Schwäche, die noch einige Jahre anhalten werde und die steigende
Staatsverschuldung, die die Fähigkeit der britischen Regierung verschlechtere, wirtschaftliche
Schocks aufzufangen. (1)
Zur Einordnung: Laut der britischen
Statistikbehörde „Office for National Statistics“ (ONS) schrumpfte die
britische Wirtschaft im ersten Quartal 2012 um 0,2 Prozent, im zweiten um 0,4
Prozent und im vierten um 0,3 Prozent. Nur im dritten Quartal gab es ein
Wachstum von 0,9 Prozent. (2) Großbritanniens Staatsschuldenquote schätzt der
Internationale Währungsfonds (World Economic Outlook Database, Oct. 2012) für
2012 auf knapp 89 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), er rechnet aber
damit, dass sie 2013 auf über 93 Prozent steigen wird. (3)
Angesichts des Versprechens des Premiers
David Cameron und seines Schatzkanzlers George Osborne, Großbritanniens
Staatsfinanzen und Wirtschaft mit einem harten Sparkurs wieder auf Kurs zu bringen
und das AAA-Top-Rating halten zu wollen, ist die Herabstufung, vor allem aber auch
deren Begründung nichts anderes als eine Ohrfeige für die britische Regierung.
Denn die Bilanz dieser mit dem Regierungsantritt im Mai 2010 verfolgten
Krisenpolitik ist de facto mehr als nur ernüchternd.
Wie die Briten das bewerten, die 2015 eine
neue Regierung wählen werden, kann Mr. Osborne an den dramatisch abgestürzten
Umfragewerten der beiden Regierungsparteien (Tories und Liberale) sehen.
Apropos Umfragewerte und Bewertung der
Krisenpolitik: Im Krisenland Italien
wird an diesem Wochenende ein neues Parlament gewählt – und man braucht kein
Hellseher zu sein, um vorhersagen zu können, dass der amtierende
Ministerpräsident Mario Monti von den Italienern keine Bestätigung erwarten
kann.
In Spanien
wiederum kämpft die konservative Regierung von Premier Mariano Rajoy mit den
negativen Konse-quenzen ihrer Sparpolitik und immer stärker auch mit den Folgen
der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Korruptionsskandal, der die allein
regierende Partido Popular (PP) erschüttert (5). Nicht genug, dass Spanien tief
in der Rezession steckt und die Arbeitslosigkeit immer weiter steigt. Auch für
den spanischen Immobilien- und Bankensektor spitzt sich die Lage weiter zu.
Dem mit 3,6 Milliarden Euro (Stand
September 2012) hoch verschuldeten spanischen Immobilienkonzern Reyal Urbis
droht – sofern bis Samstag nicht doch noch eine Lösung mit den Gläubigern
gefunden wurde – die finale Pleite. Es wäre dann auch die zweitgrößte
Unternehmenspleite in der Geschichte Spaniens und das wiederum wäre ein neuer Schlag
für eine ganze Reihe spanischen Banken, bei denen der Konzern mit zwei- und
dreistelligen Millionenbeträgen tief in der Kreide steht – unter anderem auch
mit 460 Millionen Euro bei der bereits wegen akuter Geldnot verstaatlichten
Sparkasse Bankia. (6) Insofern ist auch nicht überraschend, dass, wie berichtet
wird, die Bankia nächste Woche angeblich einen Rekordverlust von mehr als 19
Milliarden Euro verkünden muss. Es wäre der größte Verlust eines spanischen
Unternehmens in der Geschichte des Landes. (7) Ob Premier Mariano Rajoy diese
beiden neuen Rekorde zur Ehre gereichen?
Doch wie auch immer eine Auffanglösung für
den spanischen Immobilienriesen Reyal Urbis aussähe, an den Krisenursachen,
nämlich dem Preisverfall auf dem Immobilienmarkt sowie den infolge der
schlechten Wirtschaftslage, steigender Arbeitslosigkeit und des
austeritätspolitisch befeuerten Kaufkraftschwunds platzenden Hypothekenkrediten,
wird das nichts ändern.
Und so könnte der Regierung von Mariano
Rajoy aufgrund seiner Krisenpolitik vielleicht durchaus schon bald bevorstehen,
wozu sich diese Woche Bulgariens Regierung unter Premier Bojko Borissow, die
ebenfalls einen austeritätspolitischen Kurs verfolgt, gezwungen sah. Sie trat
nach anhaltenden massiven Protesten zurück. (8) Denn auch in Bulgarien war es letztlich ein Mix aus
gescheiterter Krisenpolitik, gebrochenen Versprechen und Korruption, der für
die Bulgaren das Fass zum Überlaufen brachte.
Was den Fall Bulgariens jedoch so
besonders macht, gerade auch mit Blick auf Großbritannien, Spanien, Portugal,
Italien und Griechenland, ist, dass die Bulgaren jetzt, nach dem Rücktritt der
Regierung weiter protestieren. Neuwahlen reichen ihnen nicht mehr. Sie wollen
einen grundlegenden Wechsel des politischen Systems, weil sie das Vertrauen in
die gesamte politische Klasse ihres Landes verloren haben. (9)
Genau das ist es, was allen etablierten
politischen Parteien in Krisenländern – nicht nur in den oben angesprochenen – am
Ende droht, wenn sie in der Regierungsverantwortung alle gleichermaßen an der
Aufgabe scheitern, ihre Volkswirtschaften aus der Krise herauszuführen und zwar
in einer Weise, die den Menschen, die dort leben, wieder Zukunftsperspektiven
eröffnet. Doch tatsächlich scheinen die etablierten Parteien völlig blind dafür
zu sein und das ist schockierend.
Dass dem britischen Schatzkanzler George
Osborne vor dem Hintergrund der desolaten Wirtschafts- und Haushaltslage und
den unterirdischen Umfragewerten seiner Partei auch das i-Tüpfelchen des
Ganzen, die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch Moody´s, nur dazu
veranlasst, Durchhalteparolen auszugeben und anzukündigen, mit noch mehr
Nachdruck auf dem eingeschlagenen Weg voranzuschreiten, ist symptomatisch für
viele, nicht nur konservative Regierungen
in Krisenländern, nicht nur in Europa. Der spanische Mariano Rajoy redet und
handelt beispielsweise in exakt der gleichen Weise und wir sollten uns
vergegenwärtigen, dass Deutschland, das noch nicht in der Krise steckt, keineswegs
die rühmliche Ausnahme ist. Politik so zu betreiben, wie beispielsweise George
Osborne oder Mariano Rajoy das vorexerzieren, ist jedoch nichts anderes als
eine in gesellschaftlicher, gesamtwirtschaftlicher und letztlich auch finanzieller
Hinsicht selbstzerstörerische Kamikazepolitik.
Das ist eine harte Beurteilung, wohl wahr.
Allerdings ist es in der Politik ebenso wie beispielsweise auch im gerade
deswegen von vielen Politikern gerne gescholtenen Finanzsektor gängige Praxis
geworden, sich der Verantwortung bzw. der Haftung für ineffektive, Schaden verursachende
Entscheidungen und Aktionen schlicht deswegen zu entziehen, weil dies möglich
ist. Eine sich vertiefende und immer weitere Kreise der Gesellschaft erfassende
und nach unten ziehende wirtschaftliche Krise bereitet zwar stufenweise den
Boden für Unzufriedenheit, Massenproteste und Ausschreitungen. Aber es ist die
Politik die diese provoziert, weil sie die wirtschaftliche Krise nicht in den Griff
bekommt.
Bulgarien ist überall und anders wird es
erst mit einer anderen, das heißt mit einer kompetenten, unprätentiösen und vor
allem tatsächlich auf das Gemeinwohl gerichteten Politik, die sich auch an
ihren objektiv überprüfbaren Ergebnissen messen lässt.
Doch wo gibt es das? Und, was genau so
entscheidend ist, wo gibt es genügend Bürger, die das erkennen und
einfordern bevor es soweit kommt wie in Bulgarien, Griechenland, Spanien,
Portugal und Italien oder wie einst in der Weimarer Republik? Denn Desinteresse
und beständiges Wegschauen der Bürger sind es, die einer solch fehlgeleiteten
Politik den Boden bereiten.
Und wo wir gerade beim Thema sind: Auch
auf Zypern wird an diesem Wochenende
gewählt. Der Spitzen-kandidat der konservativen Partei „Demokratische Sammlung“
(DHSY), Nikos Anastasiades, hatte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl
mit 45 Prozent der Stimmen die einfache Mehrheit verfehlt. Mit diesem Ergebnis
geht er nun in die Stichwahl. Er dürfte der Euro-Gruppe mit Blick auf die zur
Abwendung des Staatsbankrotts dringend benötigten 17,5 Rettungsmilliarden
sicherlich die wenigsten Probleme bereiten. Ob er sie jedoch gewinnt, ist – dem
Anschein zum Trotz – noch nicht ganz sicher.
Zwar bekam sein Kontrahent, der
Präsidentschaftskandidat von der regierenden Kommunistischen Partei Zyperns
(AKEL), der bisherige Gesundheitsminister Stavros Malas, in der ersten Runde
nur 27 Prozent der Stimmen. Allerdings macht er sich große Hoffnungen, die Wähler
von Ex-Außenminister Giorgos Lilikas vom Mitte-Links-Bündnis, der es nicht in
die Stichwahl schaffte, aber in der ersten Runde auf 25 Prozent der Stimmen
gekommen war, für sich gewinnen zu können. (10) Stavros würde jedoch, wenn er
die Stichwahl für sich entscheiden könnte, das Troika-Standard-Paket nicht so
einfach akzeptieren. Einmal mehr stünden möglicherweise von den Märkten nervös
verfolgte, schwierige Verhandlungen am Rande der Zahlungsunfähigkeit bevor.
Es steht nicht wirklich zu erwarten, dass
die die Wähler auf Zypern und Italien zu einem entspannten Start in die neue
Woche beitragen werden.
Gute Analyse. Mir fehlt allerdings der entscheidende Punkt, dass die Euro-"Retter" von vornherein nur auf der Vertrauen der "Märkte" schielen, das Vertrauen der Bürger jedoch als zweitrangig behandeln. Dies war der Kardinalfehler, der nun dazu führt, dass beide Seiten unzufrieden sind. Die große Frage ist nun, wann (endlich) auch das Vertrauen in Kanzlerin Merkel schwindet, die wie eine Spinne im Netz dieser verfehlten "Rettung" sitzt ... http://lostineu.eu/von-angie-lernen/
AntwortenLöschenHallo Eric B.,
AntwortenLöschenja, das stimmt. Ich habe auch wiederholt darauf hingewiesen, dass die Märkte der einzig ausschlaggebende Orientierungspunkte der Retter dies- und jenseits des Atlantiks sind.
Außerdem ist natürlich die Schuldensituation Großbritanniens beträchtlich schlimmer, als die von mir zitierte Schuldenquote des IWF (knapp 89 Prozent in 2012) suggeriert. Denn die Briten rechnen außergewöhnliche Lasten im Zusammenhang mit der Rettung der britischen Banken heraus. Bezieht man die mit ein - wie Querschuesse/Steffen Bogs das macht - kommt eine Schuldenquote von rund 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dabei heraus ... und im Unterschied zum Fall Griechenland regt sich niemand darüber auf.
So gesehen kann man natürlich fragen, ob die Herabstufung der britischen Bonität nicht früher hätte geschehen und deutlicher hätte ausfallen müssen. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. ;-)
Grüße
SLE
Und es kommt für GB noch eine lästige Petitesse ;-) hinzu: Bald sind Nordseeöl und -gas zu Ende! Beispiel hier
AntwortenLöschenUnd es gibt auch noch eine weitere Petitesse, wenn man bedenkt, dass die Briten eigentlich - wie gerade auch das Abkommen mit China, London zu einer Drehscheibe für Yuan-Geschäfte zu machen, zeigt - große Hoffnungen auf das Geschäft mit China setzen.
LöschenDenn da gibt es einige Spannungen und China scheint London gerade vor Augen zu führen, dass sie sich da nicht sicher sein können und Peking am längeren Hebel sitzt.
Siehe dazu: http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/china/9882278/Chinese-state-media-threatens-Britain-with-severe-punishment.html
Grüße
SLE