Schwarze Kassen und Schmiergelder und
handschriftliche Aufzeichnungen, die das angeblich belegen: Die von der größten
spanischen Tageszeitung „El Pais“ vor ein paar Tagen gegen Spaniens Premier
Mariano Rajoy und führende Köpfe seiner konservativen Regierungspartei „Partido
Popular“ (PP) erhobenen Korruptionsvorwürfe (1) haben in Spanien staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen sowie einen Sturm der Entrüstung und des Zorns ausgelöst. (2)
Das war wohl der berühmte Tropfen, der für
die Spanier das Fass zum Überlaufen brachte.
Gerade erst hatte die Statistikbehörde
Spaniens bekanntgegeben, dass sich die Rezession im vierten Quartal weiter vertieft
hat. Das BIP ging im letzten Quartal von 2012 gegenüber dem vorangegangenen um geschätzt
0,7 Prozent und damit das sechste Quartal in Folge zurück. (3)
Auch die Arbeitslosigkeit ist im Januar weiter
angestiegen, um 132.000 auf jetzt 4,98 Millionen, was einer Arbeitslosenquote
von über 26 Prozent entspricht. (4)
Höchst problematisch ist auch weiterhin die
Lage am spanischen Immobilienmarkt. Im dritten Quartal 2012 markierte er mit
einem Minus von 15,3 Prozent den stärksten Preisverfall, den es in Spanien je
gegeben hat. Seit die Immobilienblase in Spanien Anfang 2008 platzte, sind die
Häuserpreise um gut 26 Prozent gefallen (5) – und haben gravierende Probleme im
heimischen Bankensektor verursacht sowie finanzielle Hilfen zur Stützung des
Sektors erforderlich gemacht.
Das ist die „Begleitmusik“ zum drastischen
Sparkurs der spanischen Regierung, mit dem sie seit ihrem Wahlsieg im Dezember
2011 die Staatsschulden in den Griff zu bekommen versucht.
Bis August 2012 war allerdings das Defizit
im spanischen Haushalt – trotz des strikten Sparkurses - bereits auf 50
Milliarden Euro und damit deutlich rascher als erwartet angestiegen. (6) Anfang
Dezember räumte Premier Rajoy dann ein, dass es schwer sein würde, das Defizit
von im Vorjahr 8,9 Prozent auf die für 2012 mit der Europäischen Kommission vereinbarten
6,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes abzusenken. (7)
Wenige Wochen zuvor hatte die Regierung den
Sparkurs nochmals verschärft und den härtesten Sparhaushalt in der jüngeren Geschichte
des Landes im Parlament verabschiedet, der für die Spanier neue Einschnitte und
Steuererhöhungen in Höhe von insgesamt 27,3 Milliarden Euro bedeutet. (8)
Unmittelbar bevor die Korruptionsvorwürfe gegen
Rajoy und seine Partei an die Öffentlichkeit gelangten, hatte seine Regierung überraschenderweise
ein Konjunkturpaket zur Stimulierung der Wirtschaft angekündigt. (9) Offensichtlich
ist sie jetzt selbst nicht mehr davon überzeugt ist, dass der drastische
Sparkurs Staatsfinanzen und Wirtschaft wieder auf Kurs bringen wird. Das sieht
nicht nach wohl überlegtem, planvollem Handeln aus, sondern nach Aktionismus
und Ratlosigkeit.
Die Korruptionsvorwürfe treffen die
spanische Regierung angesichts dessen besonders hart, denn sie bringen das ins
Wanken, was die Regierung allen negativen Entwicklungen zum Trotz mit aller Kraft
zu erhalten versuchte: Ihre Glaubwürdigkeit.
Der eigene Glauben an den Erfolg des
eingeschlagenen Krisenkurses ist erschüttert, die Orientierung ist verloren
gegangen, der Kredit, den die konservative Regierung bei Teilen der Bevölkerung
noch hatte, ist verspielt und die Glaubwürdigkeit ist weg. Mit dieser Zwischenbilanz
steht Mariano Rajoy in Spanien und Europa nunmehr als eine Art „Anti-Ludwig-Erhard“
da. Denn wie viele Spanier glauben jetzt noch daran, dass Rajoys´ neoliberale „Medizin“
wie einst im Nachkriegs-Deutschland ein Wirtschaftswunder bewirkt oder genauer
gesagt heilendende Wirkungen entfaltet.
Ludwig Erhard war seinerzeit von seinem
liberalen Wirtschaftskonzept überzeugt und erntete dafür den Ruhm. Umgekehrt
hat Mariano Rajoy es sich selbst zuzuschreiben, wenn er nun den Zorn für die
sich verschlechternde Lage alleine erntet. Denn anders als Griechenland, Portugal
und Irland war er, ähnlich wie im Übrigen auch der britische Premier David
Cameron bezüglich Großbritannien, felsenfest davon überzeugt, Spanien gesund sparen
zu können – ganz ohne den bindenden Rat der sogenannten Troika (Internationaler
Währungsfonds, Europäische Kommission und EZB).
Egal, wie sich die Affäre entwickelt, sie
diskreditiert alle bisherigen Bemühungen der Regierung Rajoy, Spaniens Krise zu
überwinden und setzt nunmehr ein noch größeres Fragezeichen hinter deren Krisenkompetenz.
Was so aussah, als sei es mit Blick auf das Ganze durchdacht und vorangetrieben
worden, sieht nicht mehr nur von den Ergebnissen her nach einem Fiasko aus. Denn
es war die konservative Regierung gewesen, die den Immobi-lienboom bzw. das Entstehen
der Immobilienblase ermöglichte, deren Platzen Spaniens Banken und Finanzen ins
Schleudern brachte. Und sie soll laut den Berichten u.a. Spenden aus der Bau-
und Immobilienwirtschaft, die vom Immobilienboom profitierte, erhalten haben. Wenn
sich die Spanier, die nun die Zeche für all das zahlen müssen, von der konservativen
Regierung, die sie gewählt haben, hinters Licht geführt sehen, dann kann man
das nachvollziehen.
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