Wir können nicht alle Lebensbereiche
ökonomisieren. Es würde unser Gemeinwesen und den sozialen Zusammenhalt unserer
Gesellschaft zerstören.
Tatsächlich versuchen wir heute aber genau
das. Wir nutzen dafür eine Marktlogik, die prinzipiell der Wirtschaft den
Vorrang gibt und die ökonomische Effizienz über alles stellt.
Wir können in der auf die Marktwirtschaft
und Märkte gerichteten Politik auch nicht die Nachfrageseite einschließlich der
Arbeitnehmer nahezu komplett ausblenden.
Doch genau das ist es, was die Marktlogik
nahelegt, auf die sich praktisch alle
Parteien – auf der rechten wie auf der linken Seite des politischen Spektrums –
bis heute explizit oder implizit abstützen (siehe dazu Teil 2).
Denn es ist, wie in Teil 1 der Aufsatzreihe erklärt wurde, eine rein angebotstheoretisch begründete
Marktlogik, in der die Nachfrageseite für das Geschehen auf Märkten und für
wirtschaftliche Prosperität von untergeordneter, nachrangiger Bedeutung ist.
Entscheidend sind demnach die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, das
heißt die Wirtschaft und natürlich auch die Banken.
Die Krise der Marktlogik
Aus dieser Marktlogik begründet sich
schlüssig eine liberale Wirtschaftspolitik.
Zwar wird die liberale Wirtschaftspolitik
infrage gestellt und die ihr zugrunde liegende Marklogik vor allem heute scharf
kritisiert. Dafür gibt es aus
theoretischer Sicht auch genügende Gründe, weil es eine unvollkommene, mit
schweren Fehlern behaftete Marktlogik ist, die
- prinzipiell effiziente, selbstregulierende Märkte unterstellt,
- den Einfluss und die Bedeutung der Nachfrage für das Marktgeschehen weitestgehend vernachlässigt,
- den ökonomischen Wandel oder genauer gesagt die Entwicklung von Märkten und Regionen in der Zeit komplett ausblendet
Genügend Gründe gibt es aber erst Recht
auch mit Blick auf die wirtschaftliche
Realität, denn wir haben heute
- gesättigte und wachstumsschwache Märkte,
- das „Too big to fail“-Problem als Konsequenz hoher Unternehmenskonzentration und vieler Märkte, die von nur wenigen, sehr großen Oligopolisten dominiert werden,
- massive wirtschaftliche Ungleichgewichte,
- eine hohe Einkommens- und Vermögenskonzentration
und wir haben deswegen heute insgesamt
- eine hohe Instabilität und Krisenanfälligkeit unseres Wirtschafts- und Finanzsystems.
All das dürfte es gemäß der Marktlogik,
auf die sich die Politik bis heute stützt, eigentlich überhaupt nicht geben.
Wir kommen von diesen gravierenden Problemen auch nicht los, sondern sie verschärfen
sich im Gegenteil immer weiter.
Die angebotstheoretisch begründete Marktlogik,
auf die sich direkt oder indirekt, explizit oder implizit im Prinzip alle
Parteien bei ihrer auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte gerichteten Politik abstützen,
ist folglich höchst problematisch. Eine konstruktive Debatte gibt es dazu
jedoch überhaupt nicht.
Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik in der Krise
Stattdessen dreht sich der Streit zwischen
„Rechts“ und „Links“ in der Politik lediglich darum, wer auf der Grundlage oder
vor dem Hintergrund dieser mehr oder weniger fehlerhaften Marktlogik die
bessere Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik macht. Die Auseinandersetzung ist
deswegen nicht nur schlicht konfrontativ und führt damit in eine Sackgasse. Sie
geht vor allem auch am Kernproblem völlig vorbei, mehr noch blockiert sie
effektiv und nachhaltig jeden Weg zu einer besseren, realistischeren Marktlogik
und damit letztlich zu einer besseren Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik.
Das Problem aller Parteien ist heute nicht,
dass ökonomische Theorien ihnen sowieso keine oder nur bedingt geeignete
Orientierungen bieten können und deswegen getrost zu vernachlässigen sind. Ihr
Problem ist im Gegenteil, dass sie sich
mit den Erklärungsmöglichkeiten bezüglich der Märkte und der Marktwirtschaft und
den daraus resultierenden Orientierungen verschiedener Erklärungsansätze und
Marktlogiken viel zu wenig befassen.
Wenn wir von der orientierungslosen und
ineffektiven Politik des Experimentierens wieder wegkommen wollen, die seit dem
Ausbruch der Finanzmarktkrise weltweit praktiziert wird, dann kommen wir nicht
darum herum, die Marktlogik wieder zur Grundlage zu machen, auf der die politische
Auseinandersetzung bezüglich der Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik geführt
wird. Und das bedingt zunächst einmal eine echte, fundierte und vor allem
konstruktive politische Auseinandersetzung mit der Marktlogik.
Rechts und Links werden nicht verschwinden, wenn wir die Wirtschaftspolitik auf eine bessere Grundlage stellen
Das bedeutet keineswegs, dass damit alle
Unterschiede zwischen linker und rechter Politik verschwinden. Es geht hier
schließlich nur um die Wirtschaft.
Außerdem ist die Erklärung von
Märkten und der Marktwirtschaft, die der Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik
zugrunde gelegt wird, nicht zu verwechseln mit den darauf bezogenen Ansprüchen und Zielen linker und rechter
Politik. Das ist von zentraler Bedeutung in einer Wirtschaft, die eben nicht –
wie die heute bemühte liberale Marktlogik suggeriert – prinzipiell selbstregulierend ist.
Das bedeutet, wir müssen uns von der
Vorstellung lösen, dass wir in Bezug auf Märkte und Marktwirtschaft immer von
allen Entscheidungsproblemen enthoben sind, weil es nur richtig und falsch gibt,
da Märkte sich im Grunde immer selbst regulieren und wie eine Maschine
immerfort Wohlfahrt produzieren.
So ist es nicht.
Wir müssen entscheiden, welche Bereiche
wir ökonomisieren wollen und wir sind in letzter Instanz dafür verant-wortlich,
dass und wie gut Märkte und Wettbewerb funktionieren. Welches politische
Handeln bezogen auf Märkte und die Marktwirtschaft richtig und falsch ist,
lässt sich nicht immer eindeutig und
schon gar nicht allgemeingültig entscheiden.
Das ist aber keine Frage von „rechts“ oder „links“, sondern eine Frage der Marktlogik.
In der gegenwärtigen Rechts-Links-Logik
hat „Rechts“ die Marktlogik okkupiert und damit wird jeder, der in Bezug auf
Märkte und Marktwirtschaft nicht „rechts“ argumentiert, pointiert ausgedrückt
zum Gegner der Marktwirtschaft. Die zu überwinden setzt voraus, sich erstens
bewusst zu machen, dass es nicht nur eine
Marktlogik gibt. Die zweite Voraussetzung ist, sich nicht nur die Schwächen
dieser herrschenden Marktlogik zu vergegenwärtigen, sondern auch ihre
Orientierungsleistung für die Politik im Vergleich mit anderen Marktlogiken
bewerten zu können.
Dafür soll im Folgenden eine Grundlage
geschaffen werden. Das wird für die vier verschiedenen Erklärungsansätze
geschehen, die im Wesentlichen unterschieden werden können und zwar in vier
Schritten: Marktlogik, Wettbewerbslogik, Wachstumslogik und
Orientierungsleistung.
Vier verschiedene Erklärungsansätze für wettbewerbliche Märkte
Markt und Wettbewerb müssen immer im
Zusammenhang gesehen werden. Unterschieden wird nachfolgend gemäß der
Wettbewerbsbezeichnung, die für die jeweils spezifische Erklärung von Märkten
mit „effektiven“ bzw. „wirksamen“ Wettbewerb steht und damit auch für die jeweils
definierten Voraussetzungen, unter denen die Marktwirtschaft letztlich ihre
positiven Wirkungen entfaltet. Zu unterscheiden sind:
- „Freier Wettbewerb“,
wobei es sich um die wirtschaftsliberale Perspektive handelt, die auf die klassische ökonomische Theorie von Adam Smith zurückgeht; - „Vollkommene Konkurrenz“,
wobei es sich eigentlich um ein Modell der neoklassischen ökonomischen Theorie handelt, das jedoch in vielerlei Varianten existiert, zum Beispiel als „vollständige Konkurrenz“ (Walter Eucken) und als Orien-tierung für die Wirtschaftspolitik Bedeutung erlangte; es setzt unter anderem als Bedingung polypolitische Märkte (viele Anbieter und Nachfrager) voraus, aber auch vollkommene Markttransparenz und Information aller Marktteilnehmer, absolute Gleichartigkeit aller Sachen, aller Personen, des Raums sowie auch in zeitlicher Hinsicht (Homogenität) und striktes Rationalverhalten (Homo Oeconomicus); - „Funktionsfähiger Wettbewerb“,
wobei es sich im Kern um eine an die wirtschaftliche Realität angepasste Abwandlung des Modells der „vollkommenen Konkurrenz“ der neoklassischen Theorie handelt; je nach Variante werden unterschiedliche, aus der empirischen Forschung abgeleitete Bedingungen definiert (z.B. unterschiedliche Grade der Produktheterogenität und Marktransparenz, Markteintrittsschranken, Wettbewerbsintensität); die zentrale Bedingung sind hierbei oligopolistische Märkte; - „Evolutorischer Wettbewerb“,
dabei handelt es sich um einen am Konzept der dynamischen Entwicklung von Märkten (Lebenszyklus-konzept) orientierten Erklärungsansatz, bei dem das Anbieter- und Nachfrageverhalten und Innovationen ausschlaggebend dafür ist, wie sich Wettbewerb und Märkte im Zeitablauf wandeln und entwickeln.
Die Marklogik als Grundlage für Politik in der Marktwirtschaft
Welche Marktlogik liegt diesen
Erklärungsansätzen zugrunde. Sie erinnern sich noch daran, dass ich in Teil 2
schrieb, wer eine Liste von Bedingungen oder ein Erfolgsrezept als Antwort auf
die Frage erwarte, unter welchen Voraussetzungen die Marktwirtschaft ihre positiven,
ordnenden und Wohlfahrt bringenden Wirkungen entfaltet, der sehe die
Marktwirtschaft im Grunde wie ein Fahrrad, das heißt wie etwas, das sich
mechanisch bewegt, aber nie verändert?
Gut. Im gegebenen Zusammenhang bedeutet
das: Sie würden erwarten, dass es ein Marktideal
gibt. Damit sind wir beim zentralen Unterscheidungsmerkmal der vier
Erklärungsansätze in Bezug auf die Marktlogik, nämlich der schlichten Frage, ob
ein Marktideal definiert wird oder nicht oder anders ausgedrückt, ob es sich um
eine mechanistische Marktlogik handelt oder nicht.
Schauen Sie sich dazu die Abbildung zur
Marktlogik an.
Zum Vergrößern bitte Bild anklicken!
Die „Vollkommene
Konkurrenz“ und der „Funktionsfähige
Wettbewerb“ definieren ein Marktideal, was damit zusammenhängt, dass in
beiden Fällen die entsprechende Logik auf dem Fundament der neoklassischen
ökonomischen Theorie steht.
Allerdings gibt es einen wesentlichen
Unterschied. Die „Vollkommene Konkurrenz“ definiert exakte Bedingungen. Das wird in der kleinen Zeichnung in der
Abbildung symbolisiert durch das kleine schwarze Quadrat. Beim Ansatz „Funktionsfähiger
Wettbewerb“ gibt es indes ein relativ großes, horizontal schraffiertes Feld,
weil dort keine exakten Bedingungen
definiert, sondern für alle als relevanten erachteten Bedingungen lediglich
bestimmte Spannen oder Schwellenwerte festgelegt werden (z.B. für
Unternehmenskonzentration, Marktransparenz, Wettbewerbsintensität usw.). Man
könnte also sagen, dass in diesem Fall das Marktideal nur vage definiert ist.
So betrachtet ist es in der Praxis
vergleichsweise einfach, „Funktionsfähigen
Wettbewerb“ zu diagnostizieren und zu erreichen, während die Realisierung
der „Vollkommenen Konkurrenz“ aufgrund der praktischen Nicht-Erfüllbarkeit
aller Bedingungen unmöglich ist. Wie sollte man z.B. vollkommene
Markttransparenz oder vollkommene Information aller Marktteilnehmer sicherstellen
können? Bei einigen Varianten der vollkommenen Konkurrenz ist das anders. Die „Vollständige
Konkurrenz“ von Walter Eucken, dem Vordenker der „Sozialen Marktwirtschaft“,
kommt mit nur einer der ursprünglichen Bedingungen aus: polypolistische Märkte.
„Freier
Wettbewerb“ und „Evolutorischer
Wettbewerb“ definieren hingegen kein Marktideal
und ihnen liegt folglich auch kein
mechanistisches und die Entwicklung ausblendendes Marktverständnis zugrunde. Es
gibt aber einen wesentlichen Unterschied. Beim Ansatz „Freier Wettbewerb“ ist im
Prinzip jede denkbare Marktsituation akzeptabel und positiv zu bewerten, so lange die Markteilnehmer bzw. die Märkte
frei von staatlicher Beein-flussung agieren können. Die unendliche Vielfalt möglicher
Marktsituationen symbolisieren die vielen gleichgroßen schwarzen Punkte in der
zugehörigen kleinen Zeichnung in der Abbildung zur Marktlogik.
Beim Ansatz „Evolutorischer Wettbewerb“ sieht man hingegen in der kleinen
Zeichnung vier unterschiedlich schraffierte Quadrate, wobei eines identisch ist
mit dem, das man beim Ansatz „Funktionsfähiger Wettbewerb“ sieht. Das ist kein
Zufall. Denn was bei letztgenanntem Ansatz als Marktideal definiert ist, ist
letztlich eine aus der empirischen Forschung herausgefilterte, spezifische
Marktsituation, die – aus Sicht des Ansatzes „Evolutor-ischer Wettbewerb“ – in
der Entwicklung von Märkten vorkommen kann. Aber es ist eben nur eine
einzige denkbare Marktsituation.
Gemäß „Evolutorischer
Wettbewerb“ bedeutet Entwicklung von Märkten, dass sich unterschiedliche
Marktsituationen im Zeitablauf ergeben bzw. einander ablösen. Das heißt z.B.
auch, dass sich die Marktform verändert – vom Unternehmen, das einen neuen
Markt schafft und dort zunächst gegebenenfalls Monopolist ist, über die
Polypolisierung des Marktes durch den Zustrom von neuen Anbietern bis zum
später, im Zuge der Reifung des Marktes einsetzenden Verdrängungswettbewerb und
Unternehmenskonzentrationsprozess (Oligopolisierung).
Es gibt also beim Ansatz „Evolutorischer
Wettbewerb“ im Unterschied zum Ansatz „Freier Wettbewerb“ klar unterscheidbare Marktsituationen, die jeweils auch eine andere Form von Wettbewerb
begründen. Das heißt, im Zuge der Entwicklung von Märkten verändert sich auch
der Wettbewerb.
Damit sind wir auf der nächsten Vergleichsebene
angelangt, nämlich der Wettbewerbslogik.
Die Wettbewerbslogik als Grundlage für Politik in der Marktwirtschaft
Was ist Wettbewerb eigentlich, wie
arbeitet er und wie sollte er mit Blick auf die positiven Wirkungen der
Marktwirtschaft sein?
Auch in dieser Hinsicht kann man zwecks
schneller und grundsätzlicher Unterscheidung der verschiedenen
Erklärungsansätze wieder danach fragen, ob sie ein Wettbewerbsideal definieren.
Einfache Antwort: Nur beim Ansatz „Freier Wettbewerb“ gibt es explizit
kein Wettbewerbsideal.
Ebenfalls einfach fällt die Antwort bei
den neoklassischen Ansätzen „Vollkommene
Konkurrenz“ und „Funktionsfähiger
Wettbewerb“ aus, wie aus der Abbildung zur Wettbewerbslogik ersichtlich
ist. Es ist in beiden Fällen identisch mit dem Marktideal oder anders
ausgedrückt, wenn die jeweiligen Bedingungen des Marktideals erfüllt sind, dann
liegt auch das Wettbewerbsideal vor, das heißt, es herrscht effektiver
Wettbewerb.
Was bedeutet das praktisch?
Es bedeutet verkürzt ausgedrückt, dass gemäß
der Marktlogik der „Vollkommenen Konkurrenz“ wünschenswerter effektiver
Wettbewerb vorliegt, sobald u.a. auf einem Markt ein Polypol vorliegt. Gemäß
der Logik des „Funktions-fähigen Wettbewerbs“ ist das gegeben, sobald Märkte u.
a. oligopolistisch strukturiert sind, wobei es einen gewissen
Interpretationsspielraum gibt wie eng oder weit das Oligopol sein darf.
Praktisch bedeutet das im Falle des „Funktionsfähigen
Wettbewerbs“ aber nicht nur, dass
effektiver Wettbewerb vorliegt sobald
Märkte oder ganze Volkswirtschaften oligopolisiert sind. Es bedeutet auch, dass effektiver, sich selbst
regulierender Wettbewerb herrscht bzw. das Wettbewerbsideal vorliegt, so
lange sie oligopolisiert bleiben.
Daraus ergibt sich eine nicht
unwesentliche Frage, nämlich: Wie sollen sich Märkte entwickeln, wenn wir dafür
Sorge tragen, dass sie immer oligopolisiert bleiben?
Falls Sie noch nicht genau sehen, worin
das Problem eigentlich bestehen soll, dann stellen Sie sich einfach einmal vor,
als ideal soll ein Oligopol mit vier Anbietern gelten. Sagen wir noch dazu auf
dem (imaginär betrachteten) globalen Markt.
Gemäß des Erklärungsansatzes „Evolutorischer Wettbewerb“ und der
oben gegebenen Erklärung der Marktlogik würde damit die Entwicklung von Märkten
nicht gefördert, sondern behindert und im Extrem unmöglich gemacht. Denn entsprechend der
oben dargelegten Marktlogik gibt es beim „Evolutorischen Wettbewerb“ ein prozessuales Wettbewerbsideal, das unabhängig von der jeweiligen
Marktsituation ist. Es ist erfüllt, wenn sich die Marktsituation im Zeitablauf
(bzw. im „Lebenszyklus“) immer wieder signifikant verändert. Denn die
Entwicklung von Märkten wird in diesem Erklärungsansatz nur dadurch möglich,
dass sich der Wettbewerb wandelt bzw. die vorherrschende Form des Wettbewerbs
sich verändert. Der Wettbewerb trägt
demnach die Entwicklung und das kann er unterschiedlich
effektiv tun, was mit der Erklärung der
Arbeitsweise und des Wesens des Wettbewerbs zusammenhängt. Schauen Sie dazu
nochmals auf die Abbildung zur Wettbewerbs-logik.
Zum Vergrößern bitte Bild anklicken!
Beim Ansatz „Vollkommene Konkurrenz“ wird Wettbewerb statisch aufgefasst. Das heißt, entweder die exakt definierten
Bedingungen für das Marktideal sind erfüllt – dann herrscht Wettbewerb. Oder
sie sind nicht alle erfüllt und dann
herrscht kein Wettbewerb. Dazwischen gibt es nichts. Man kann sich das
vorstellen wie bei einem Lichtschalter: Licht an, Licht aus, Wettbewerb an,
Wettbewerb aus.
Das ist keine realistische Vorstellung. In
allen anderen Erklärungsansätzen wird Wettbewerb als dynamisch, nämlich als ein von Innovationen angetriebener Prozess
verstanden, das heißt als – zumindest theoretisch – ewige Abfolge von
innovativen Vorstoßhandlungen einzelner Wettbewerber, die dadurch eine
temporäre Monopol-stellung auf dem Markt einnehmen, und den imitativen (oder
wiederum innovativen) Handlungen der Konkurrenten, die damit wieder zum
Innovator aufschließen, ihn einholen oder sogar überholen.
Diesen vor- und nachstoßenden Prozess
veranschaulicht die Zickzack-Linie in den kleinen Zeichnungen bei den drei
Erklärungsansätzen, die Wettbewerb dynamisch auffassen. Die Obere Line
kennzeichnet das temporäre Monopol, die untere ausgeglichene Verhältnisse, in
denen niemand über einen signifikanten, innovativen Wettbewerbsvorsprung
verfügt.
Die Unterschiede sind schnell erklärt.
Im Falle des „Freien Wettbewerbs“ und des „Funktionsfähigen
Wettbewerbs“ wird die Arbeitsweise
zwar identisch erklärt und es wird auch angenommen, dass der Wettbewerbsprozess
seinem Wesen nach selbst-regulierend
bzw. selbsttätig ist. Aufgrund des abweichenden theoretischen Fundaments geht
der Ansatz „Freier Wettbewerb“ (klassische Theorie von Smith) jedoch davon aus,
dass der Prozess nicht steuerbar oder gezielt beeinflussbar ist, ganz besonders
auch nicht bezüglich seiner volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Beim „Funktionsfähigen Wettbewerb“
(abgeleitet aus der neoklassischen Theorie) sieht man jedoch grundsätzlich solche
Beeinflussungsmöglichkeiten (mechanistische Sicht) und darauf sind auch die
Bedingungen des zugehörigen Marktideals angelegt. Das heißt, es gibt hier die
Möglichkeit einer Art Feinsteuerung,
mit der die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbsprozesses beeinflusst werden kann
und damit letztlich auch das Wirtschafts-wachstum. Praktisch geschieht dies
beispielsweise dadurch, dass Fusionen und Übernahmen bzw. eine höhere
Unternehmenskonzentration zugelassen oder eben nicht zugelassen werden.
Gemäß des Ansatzes „Evolutorischer Wettbewerb“ ist der Wettbewerbsprozess weder prinzipiell selbsttätig (oder
selbstregulierend) noch wird die
Möglichkeit einer wachstumsbezogenen Feinsteuerung gesehen. Vielmehr werden hier
verschiedene Formen des Wettbewerbs differenziert,
die sich im Hinblick auf ihre Beiträge zur Entwicklung von Märkten
unterscheiden. Ausschlaggebend dafür sind die Innovationen, die je nach
Wettbe-werbsform unterschiedlich weitreichende ökonomische Wirkungen auf Märkten
oder der Wirtschaft insgesamt haben und damit den Takt und die Richtung der
Entwicklung von Märkten vorgeben.
Das heißt, über die Beeinflussung der
Marktbedingungen lässt sich demnach letztlich die Prozess- und Entwicklungsqualität des Wettbewerbs beeinflussen,
aber das gilt nicht für seine Ergebnisse.
Eine hohe Entwicklungsqualität des Wettbewerbs bedeutet nicht zwangsläufig auch
hohes Wirtschaftswachstum.
Damit unterscheidet sich die Markt- und
Wettbewerbslogik des Erklärungsansatzes „Evolutorischer Wettbewerb“ wesentlich
sowohl von der Logik des „Freien Wettbewerbs“ als auch von der des
„Funktionsfähigen Wettbewerbs“.
In Teil 3.2 werden die vier
verschiedenen Erklärungsansätze in Bezug auf die Wachstumslogik und ihre
Orientierungsleistung für die Wirtschafts‑ und Finanzmarktpolitik vergleichend
analysiert und abschließend zusammenfassend bewertet.
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