Heute wurden die Ergebnisse einer Umfrage
von infratest dimap für den „Bericht aus Berlin“ (ARD) zur Abstimmung der
SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag veröffentlicht, nach der
66 Prozent aller Befragten und sogar 75 Prozent der SPD-Wähler ein
zustimmendes Votum wünschen.
Sollte das SPD-Mitgliedervotum eine
Ablehnung der Großen Koalition erbringen, dann wollen laut Umfrage 54 Prozent
der Befragten Neuwahlen, während Schwarz-Grün nur 17 Prozent und
Rot-Rot-Grün sogar nur 14 Prozent befürworten. Für eine Minderheitsregierung
der Union sind 9 Prozent der Befragten. (1)
Obwohl das Mitgliedervotum dem
Koalitionsvertrag gilt und die Aufteilung und Besetzung der Ressorts in der
möglichen neuen schwarz-roten Bundesregierung dabei keine Rolle spielen soll,
haben sich jetzt Vertreter des Wirtschaftsflügels der SPD, nämlich Peer
Steinbrück (SPD) und Johannes Kahrs (SPD) vom Seeheimer Kreis für Sigmar
Gabriel als Bundesfinanzminister ausgesprochen. (2)
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
(SPD) wiederum, die in der SPD bei der Kanzlerfrage trotz ihrer ablehnenden
Haltung in den zurückliegenden Monaten immer als Top-Aspirantin gehandelt wurde,
hat sich diese Woche in einer außerordentlichen Fraktionssitzung der SPD im
Düsseldorfer Landtag, bei der der Koalitions-vertrag diskutiert wurde, zu der
Aussage veranlasst gesehen, sie werde nie als Kanzlerkandidatin antreten. (3)
Hannelore Kraft stand einer Großen
Koalition anfangs sehr skeptisch gegenüber und hatte die Oppositionsrolle als
die zu bevorzugende Option für die SPD interessant ins Gespräch gebracht. Während
der Sondierungs-gespräche der SPD mit der Union änderte sie jedoch ihre
Einschätzung, was viele überraschte. Sie empfiehlt den SPD-Mitgliedern nun ganz
klar, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. Ihre Absage an eine Kanzlerkandidatur
kann deswegen wohl so verstanden werden, dass es im Falle eines negativen Mitgliederentscheids
keinen Plan B mit ihr in der Hauptrolle geben wird.
Inzwischen hat SPD-Generalsekretärin
Andrea Nahles sich auch dahingehend geäußert, dass sich die SPD-Führung der
Verantwortung stellen werde, wenn die Parteibasis den Koalitionsvertrag
ablehne. Auf Nachfrage der Presse, ob das den geschlossenen Rücktritt bedeute,
antwortete sie allerdings ausweichend, sie gehe nicht davon aus, dass es so
kommt. (4)
So weit, so gut. Nun die Botschaft in der
Kurzfassung.
Peer Steinbrück und Johannes Kahrs halten
es sogar für angemessen, die Aufmerksamkeit jetzt schon auf die Frage der
Besetzung der Ministerposten zu lenken, obwohl die Phase der Überzeugungsarbeit
und der Abstimmung der SPD-Mitglieder gerade erst begonnen hat. Soll heißen: Die
Zustimmung der Genossen ist bereits jetzt eine ziemlich sichere Sache.
Einstweilen hat Hannelore Kraft – Vorsicht
ist die Mutter der Porzellankiste – schon mal die große Hintertüre für die
Genossen zu- und Andrea Nahles klargemacht, dass sich die SPD-Mitglieder bei
einem Nein eine neue Führung suchen müssen, es sich bei der Abstimmung also
zugleich um ein Misstrauensvotum handelt. In Italiens Politik ist so etwas ja
Routine, aber für deutsche Verhältnisse fährt die SPD-Führung richtig schweres
Geschütz auf.
Klar, das ist meine persönliche
Interpretation und ich weiß auch nicht, wie Sie das nennen. Für mich sieht es in
jedem Fall wie das große Trommeln für die Große Koalition aus. Es hat beinahe
schon ein wenig von einer Treibjagd: Der Vertrag ist abgeschlossen, jetzt werden
die SPD-Mitglieder von unterschiedlichen Seiten gezielt „aufgescheucht“, damit
sie rasch in die gewünschte Richtung „flüchten“.
Offenbar ist das nötig, sonst würde es wohl
nicht geschehen. Die spannende Frage ist, ob es auch klappt.
Schließlich bleibt bis zum Ende der Frist
für die Stimmabgabe (12. Dezember, 24 Uhr) noch genügend Zeit für
jene Trommler, die den SPD-Mitgliedern den Koalitionsvertrag madig machen
wollen, was für Kritiker kein Problem sein dürfte. Denn was im Vertrag
drinsteht, kann sich schließlich jeder anschauen (5), nicht nur SPD-Mitglieder.
So betrachtet erhält dann der Titel des
Koalitionsvertrages, „Deutschlands Zukunft gestalten“, eine ganz neue, von den
Erfindern gewiss nicht intentionierte Bedeutung: Alle können die nächsten knapp
vierzehn Tage irgendwie mitmachen.
Heute, 12.12., hieß es in der tagesschau "... überraschend hohe Beteiligung beim Mitgliedervotum ..." Naja, am Samstag wissen wir mehr; die Hoffnung stirbt zu letzt ...
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