Sonntag, 13. April 2014

Gewalt mit Ansage in der Ostukraine-Krise: Ohnmächtige EU?



Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow von der Vaterlandspartei Julia Timoschenkos hat einen „Anti-Terror-Einsatz“ gegen prorussische Separatisten in der ostukrainischen Stadt Slawjansk angeordnet. Es hat dort laut Pressemeldungen bei Auseinandersetzungen bereits Tote und Verletzte gegeben. (1)
Sowohl die ukrainische Übergangsregierung als auch die USA und die NATO erheben gegenüber Russland seit Beginn der Proteste in der Ostukraine immer wieder den Vorwurf, diese zu schüren oder gar zu steuern. Eindeutige Belege dafür haben sie bis heute allerdings nicht präsentiert. Es handelt sich nach wie vor um Verdächtigungen, die Moskau stets zurückgewiesen hat. Gleichwohl wiederholen speziell die USA in kurzen Abständen unter Androhung weiterer Sanktionen die Forderung an Russland, die Situation in der Ostukraine nicht weiter zu eskalieren, sondern etwas zu Deeskalation zu unternehmen.
Die ukrainische Regierung und insbesondere auch die US-Regierung setzen in der Ukraine-Krise folglich fortlaufend ihre Anschuldigungen gegenüber Russland in einer für andere und insbesondere auch für die ukrainische Bevölkerung nicht nachvollziehbaren Weise mit Tatsachen gleich und handeln auf dieser Grundlage.
Weder die ukrainische noch die US-Regierung haben bisher aktiv dazu beigetragen, durch Schaffung von Trans-parenz und die Lieferung nachprüfbarer Informationen bezüglich der von ihnen erhobenen Vorwürfe gegen Russland zu einer Deeskalation der Krise in der Ukraine und insbesondere in der Ostukraine beizutragen.
Dieser Mangel an Transparenz und Information, der nach wie vor u.a. auch bezüglich der Morde an Demon-stranten und Polizisten auf dem Maidan vom 20. Februar nicht behoben wurde, schürt in der gegenwärtig ohnehin angespannten Atmosphäre das immer stärker offen gezeigte Misstrauen gegenüber der Übergangsregierung. Dieses zu einem Terrorakt zu erklären und mit Gewalt dagegen vorzugehen, ist ein politischer Offenbarungseid und mit einer Demokratie, die die Ukraine sein will, unvereinbar.
Russland über die westlichen Medien eine aktive Rolle bei der Unterstützung dieses „Terrors“ zuzuweisen und von Moskau zu fordern, die Situation in der Ostukraine nicht weiter zu eskalieren, um so nicht nur Sanktionen gegen Russland, sondern auch das gewaltsame Vorgehen gegen diesen „Terror“ zu rechtfertigen, hat mit der behaupteten Bemühung um Deeskalation und um diplomatische Lösungen für den Erhalt und vor allem für den inneren Zusammenhalt der Ukraine rein gar nichts zu tun.
Es ist deswegen höchst erstaunlich und macht fassungslos, dass sich die Europäische Union auf diese Art immer weiter durch die Ukraine-Krise und immer tiefer in einen Konflikt mit Russland hinein schubsen lässt, der sie noch dazu am Ende weit mehr kosten könnte als die USA.
Es gelingt den Europäern offenbar nach wie vor nicht, das Krisenmanagement in der Ukraine an sich zu ziehen oder wenigstens wirksam mitzubestimmen, um die Krise vom Eskalationskurs abzubringen. Die Europäer wurden vom politischen Umsturz nach den Morden auf dem Maidan überrumpelt und nun auch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Ostukraine.
Die Ukraine ist pleite. Mehr noch ist die Übergangsregierung in Kiew nicht nur finanziell, sondern auch fachlich und politisch vollkommen abhängig vom Westen und in höchstem Maße von der Unterstützung des IWF und insbesondere der Europäischen Union. Und dennoch haben die Europäer keine Möglichkeit den politisch Verantwortlichen in Kiew, die ihre Argumente im Parlament immer wieder mal gerne handfest austragen, klarzumachen, dass Gewalt und „Anti-Terror“-Einsätze gegen die eigene Bevölkerung nicht im Interesse der Ukraine und nicht im Interesse Europas sind?
Die chinesische Regierung hatte im vergangenen Jahr Nordkorea nach unbeachteten Ermahnungen, die militärische Kraftmeierei gegen Südkorea einzustellen, weil eine Destabilisierung der Region nicht im Interesse Chinas sei, den Geldhahn zugedreht. Das hat sehr schnell gewirkt. Europa lässt sich von der Übergangsregierung vorführen.
Der Regierung Jazenjuks muss, weil die USA es offensichtlich nicht tun, von der EU ebenso wie allen anderen Beteiligten unmissverständlich klar gemacht werden, dass Gewalt keine Lösung darstellt und seitens der Europäer Konsequenzen nach sich zieht. Das ist mit Blick auf den Zusammenhalt der Ukraine ein dringend notwendiger Schritt und würde die EU endlich auch in die Lage versetzen, die Vermittlerrolle im Konflikt effektiv wahrzunehmen. Nur die EU kann als Vermittler in der Ukraine und zwischen den USA und Russland agieren.
Die Ukraine ist ein Nachbar der EU nicht der USA. Eine Destabilisierung in den Nachbarländern der EU ist nicht im Interesse der EU. Die Behauptung, dass allein Russland die Ukraine destabilisiert, ist spätestens seit dem heute von der Regierung in Kiew verfügten „Anti-Terror“-Einsatz gegen die Bevölkerung in der Ostukraine widerlegt. Es war vorhersehbar, dass es dazu kommen würde und ist dennoch nicht verhindert worden.

2 Kommentare:

  1. auch wenn es keine Beweise gibt, denke ich doch, dass Putin (massiven?) Einfluss auf das Geschehen in der Ostukraine nimmt.
    Die Basis ist sicher die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Aussichten unter einer neuen antirussischen und vom IWF abhängigen Regierung aber das in dem gesehenen Ausmass zu eskalieren, das zeigt schon die Unterstützung Dritter.
    Nicht prinzipiell anders als auf dem Maidan, das wir uns hier recht verstehen, allerdings von der anderen Seite initialisiert.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Bill Miller,

      vielen Dank für Ihren Kommentar und den berechtigten Einwand.

      Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit vollkommen Recht, dass es verdeckte Einflussnahme von beiden Seiten gibt, ob wirtschaftlich, politisch, militärisch oder durch Geheimdienste.

      Mir kommt es darauf an hervorzuheben, dass in der Ukraine-Krise auf unzureichender Informationsgrundlage und zum Teil offenbar auch auf Basis zweifelhafter Informationen gehandelt wird, wobei die darauf gründenden Rechtfertigungen jeweils über die Medien kommuniziert werden, ohne jedoch Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Öffentlichkeit herzustellen.

      Die Folge davon ist im Westen, etwa in Deutschland, dass laut Umfragen sehr viele die Objektivität dieser Darstellungen in Zweifel ziehen und damit die Rechtfertigungen des Westens. Im Osten wiederum führt dies dazu, dass die russische Regierung laut Umfragen in der eigenen Bevölkerung – aber auch in China - zunehmend Rückhalt für die eigene Ukraine-Krisenpolitik findet. Und in der Ukraine schließlich vertieft sich dadurch die Kluft zwischen dem proeuropäischen und prorussischen Teil der Bevölkerung und schlägt zunehmend in Gewalt um.

      Ein wesentlicher Grund für diese kontraproduktive Entwicklung einschließlich anhaltender verdeckter Einflussnahme ist, dass die EU ihre Vermittlerrolle zwischen Ost und West bisher nicht oder nur völlig unzureichend wahrnimmt. Sie ist mehr Getriebene der skizzierten und über die Medien vorangetriebenen Entwicklung denn effektiv vermittelnde, steuernde Kraft in diesem Konflikt.

      Die EU hat es bisher vor allem auch versäumt, objektivierend und mäßigend auf die Berichterstattung in den westlichen Medien zu reagieren, um Vertrauen aufzubauen, das für eine diplomatische Lösung vorhanden sein muss. Deswegen stehen m.E. auch die für Donnerstag geplanten Vierergespräche in Genf unter einem schlechten Vorzeichen.

      Nur durch einen starken Vermittler und Schaffung von Transparenz können verdeckte Einflussnahme in der Ukraine und die Medienschlacht um die Deutungshoheit im Ukraine-Konflikt gestoppt werden, die beide eine weitere Eskalation der Situation bewirken werden.

      Gegenwärtig schaut die EU jedoch immer noch beinahe hilflos zu.

      Die Europäer reden zwar immer davon, mehr internationale Verantwortung übernehmen zu wollen. Doch im aktuellen Ukraine-Konflikt tun sie es nicht. Das wird sich ändern müssen.

      Viele Grüße
      SLE

      Löschen