Mittwoch, 23. Juli 2014

EU-Außenministertreffen: Keine neuen Sanktionen gegen Moskau wegen Flug MH17



Bisher weisen die Regierungen der USA und der Ukraine die Verantwortung für den Absturz des Passagierflug-zeuges der Malaysia Airlines über der Ostukraine den Separatisten und Russlands Regierung zu. Mehr noch beharrten sie bereits kurz nach dem Absturz darauf, die Maschine sei von den Separatisten mit einer Rakete abgeschossen worden. Die US-Geheimdienste, das Pentagon und auch Außenminister Kerry gaben gegenüber der Presse und den Medien wiederholt an, sie hätten eindeutige Hinweise darauf.
Bis heute haben sie keine Belege für diese Behauptung vorgelegt. Stattdessen bleiben beide Regierungen und besonders die USA stets bei vagen Formulierungen, die mehr suggerieren als konstatieren.
Am Montag hielt nun das russische Verteidigungsministerium eine erste Pressekonferenz zum Absturz des Fluges MH17 ab und präsentierte seine bisherigen Erkenntnisse. Gezeigt wurden auch Materialien und Aufzeichnungen, auf die sich diese Erkenntnisse stützten. Aus russischer Sicht werfen die bisherigen Auswertungen zehn Fragen an die Regierung der Ukraine auf: (1)
1. Warum ist Flug MH17 über der Ostukraine vom internationalen Flugkorridor abgewichen?
2. Ist diese Abweichung auf einen Navigationsfehler zurückzuführen oder wurde sie von der ukrainischen Flugkontrolle veranlasst?
3. Warum war am Tag des Absturzes von MH17 eine große Gruppe von Flugabwehrsystemen des ukrainischen Militärs an dem von den Separatisten gehaltenen Donezk-Gebiet in Stellung gebracht, obwohl diese gar nicht über Flugzeuge verfügen?
4. Warum hat Kiew ein BuK-Raketensystem direkt an der Grenze zum von den Separatisten kontrollierten Gebiet und nur 8 Kilometer entfernt von der Absturzstelle stationiert?
5. Am Tage des Absturzes erhöhte Kiew die Radaraktivität der in der Region in Stellung gebrachten BuK-Raketensysteme. Warum?
6. Russische Überwachungssysteme registrierten in der Zeit kurz vor dem Absturz drei Passagier-flugzeuge in der Region (einschließlich MH17) und einen ukrainischen Kampfjet, wahrscheinlich eine Su-25, die sich MH17 näherte. Warum befand sich das Militärflugzeug auf einer Flugroute, die für zivile Flüge reserviert ist?
7. Warum flog der Militärjet fast zur selben Zeit und auf derselben Flughöhe mit einem Passagier-flugzeug (MH17)?
8. Ein im Internet zirkulierendes und von den westlichen Medien aufgegriffenes Video zeigt angeblich, wie ein Buk-Raketensystem von Separatisten auf einem Lastwagen aus der Ukraine nach Russland gebracht wird. Doch weil die Videoaufzeichnung offensichtlich in einem Gebiet (Krasnoarmeysk) gemacht wurde, das von Kiew kontrolliert wird – erkennbar an einem Werbeplakat, an dem der Lkw vorbeifährt – stellt sich die Frage: Woher kam dieser Raketenwerfer und wohin wurde er gebracht?
9. Wo ist dieses BuK-System jetzt? Warum ist die Raketenbatterie des Werfers, den das Video zeigt, nicht mehr vollständig? Wann wurde von diesem Werfer zuletzt eine Rakete abgefeuert?
10. Zur Absturzzeit befand sich nach russischen Erkenntnissen ein US-Satellit über der südöst-lichen Ukraine, der auf die Detektion und Beobachtung von Raktenabschüssen ausgelegt ist. Warum hat die US-Regierung nicht die Beweise für ihre Behauptung offengelegt, MH17 sei von den Separatisten mit einer Rakete abgeschossen worden?
In den westlichen Medien wurde die Glaubwürdigkeit der Materialien, die das russische Verteidigungsministerium gezeigt hat – mal mehr und mal weniger behutsam – angezweifelt. Die These, die sich aus den formulierten Fragen ableitet, nämlich dass eine Verwicklung des ukrainischen Militärs in den Absturz des Passagierflug-zeuges der Malaysia Airlines nicht auszuschließen ist, wurde gelinde gesagt als Verschwörungstheorie abgetan.
Nun sind EU-Außenminister keine Journalisten und es wäre traurig, wenn sie sich bei ihren Entscheidungen auf die Berichte der Medien stützen müssten. Es wäre zudem ein diplomatischer Affront, würde man in Europa den Wert der Ermittlungen und Aussagen des russischen Verteidigungsministeriums zu den Umständen des Absturzes von Flug MH17 nicht richtig einzuschätzen wissen – vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Washington und Kiew etwas vergleichbar Fundiertes und Gehaltvolles bisher schuldig geblieben sind.
Tatsächlich entsteht immer mehr der Eindruck, dass sich die US- wie auch die ukrainische Regierung lieber darauf konzentrieren, die Medien mit Behauptungen und Mutmaßungen zu füttern, weil die sie gerne nehmen und verbreiten, ohne kritisch nachzufragen und Belege einzufordern. Und es gibt viele Ungereimtheiten, viele Fragen im Zusammenhang mit der These, die Separatisten hätten das Flugzeug mit einer Rakete abgeschossen.
Angesichts der Entwicklungen im Fall MH17 lässt sich allerdings die Abschussthese selbst heute sicher noch weniger als zuvor ausschließen. Die entscheidende Frage ist dann aber, wer die Boeing 777 der Malaysia Airlines womit abgeschossen hat und vor allem warum?
Die EU-Außenminister und Staats- und Regierungschefs können nicht sicher sein, dass sie nicht in die Lage geraten darüber beraten zu müssen, was sie tun, wenn sich herausstellen sollte, dass das ukrainische Militär für den Absturz verantwortlich ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig und vernünftig, dass die EU-Außenminister auf ihrem am gestrigen Abend beendeten Treffen wegen MH17 vorerst keine neuen Sanktionen gegen Russland beschlossen haben. (2)
Die Welt wartet jetzt auf eine Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums. Die EU sollte es auch tun. Es sei denn, die jetzt mysteriöserweise auf der Brooklyn Bridge in New York gehissten weißen Flaggen sind bereits als eine tiefergehende Botschaft zu verstehen. (3)

7 Kommentare:

  1. Es wäre vielleicht sinnvoll in vielen Fällen nicht mehr zwischen Regierung und Leitmedien zu unterscheiden, sondern gleich von der politischen Kaste zu sprechen. Alles andere suggeriert einen Unterschied, den es längst nicht mehr gibt.

    Die entscheidende Frage ist doch: Kann es dauerhaften Frieden in Europa ohne Ausgleich/Machtgleichgewicht zwischen Moskau und Brüssel geben? Und: Was hat Brüssel in Donetzk oder Kharkow verloren? Brauchen die Vereingten Staaten von Europa wirklich die Ukraine als Bundesstaat? Obwohl diese kulturell viel näher an Russland ist (auch das Ukrainische ist dem Russischen ja sehr ähnlich)? Man treibt hier einen Keil zwischen Bruderstaaten - mit Geld/dem Versprechen auf Wohlstand.

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    1. Hallo Anonym,

      ja, das könnte man mitunter tun. Ich bin etwas zurückhaltender.

      Eine weitere wichtige Frage für die EU im Zusammenhang mit der Ukrainekrise ist: Was haben die USA dort eigentlich zu suchen - quasi vor der Haustür der EU? Warum halten die sich einfach nicht ganz heraus bzw. wieso wird das nicht gefordert?

      Viele Grüße
      SLE

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    2. Die Antwort ist offensichtlich: Die USA wollen Russland kleinhalten. Und sie werden nicht aufgefordert sich herauszuhalten, weil die transatlantischen Bande zu stark sind.

      Europa kann sich nicht vollständig von den USA lösen, weil dann die Gefahr zu groß ist, dass Russland langfristig in eine dominante Rolle schlüpft. Die militärische und energiepolitische Stärke Russlands gibt den USA also einen Hebel quasi in die Hand.

      Europa will sich militärisch nicht emanzipieren. Es scheut die Kosten und Deutschland will die Beobachterrolle auf der Weltbühne nicht aufgeben. Dennoch müsste die EU die Beitrittsgesuche der Ukraine aus Respekt vor Russland eigentlich ablehnen; die jüngsten Ereignisse weisen jedoch daraufhin, dass die Ausdehnung der EU bis an die Westgrenze Russlands immer langfristiges Ziel war. Weil man ja mit China und den USA auf Augenhöhe sein will.

      All dies schafft nur Unruhe und Unfrieden (statt Ausgleich). "Die EU ist ein Friedensprojekt." Yeah, right.

      PS In außenpolitischen Fragen fungieren unsere Leitmedien als bloßes Progapandasprachrohr solange CDU und SPD sich einig genug sind.

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  2. Die Buk-Systeme der Ukraine sind vielleicht nähe der Grenze stationiert um russische Kampfflieger vom Himmel zu holen falls die Russen einmarschieren, eventuell wollte man die Präsidentenmaschine von Putin treffen, allerdings hat diese Maschine wohl genüngend Ablenkwaffen, bin aber kein Fachmann...

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  3. Angesichts dieser Lügen erblassten sogar die Fahnen... ;)

    Aus der USA kommt nicht nur das Fiat-Money sondern jetzt auch die Fiat-Intelligence!

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    1. Versteh ich nicht, ich versuche nur folgerichtig zu denken, wozu Flugabwehrraketen wenn die Volkswehr gar keine Flugzeuge hat, soweit ich weiß warf die Ukraine den Russen Verletzung ihres Luftraums vor, also stationiert man dort so etwas, normal ja. Und Putin wäre nicht der erste Präsident der in letzter Zeit zufällig ums Leben kommt, wär doch praktisch, von den eigenen Sypatisanten aus versehen versenkt. Hugo Chaves hat wohl ca. 10 Attentate überlebt, unter anderem beauftragt von Sarkozy, kann man alles googeln

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    2. Hallo Anonym,

      in der ausführlichen Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums, die Sie lesen können, wenn sie oben im Aufsatz die Ziffer (1) anklicken, finden sie die Begründung. Ich habe jetzt nicht den exakten Wortlaut im Kopf, aber es heißt dort in etwa so, dass die Buk-Systeme dort erst aufgestellt, danach aber zum Teil wieder abgezogen wurden. Ferner waren die Radaraktivität dieser Raketenwerfer erst in der Zeit vor dem Absturz stark erhöht und sank danach wieder.

      Das spricht definitiv nicht dafür, dass es um die mögliche Abehr russischer Flugzeuge ging.

      Viele Grüße
      SLE

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