Seit der Europawahl im Mai vergangenen
Jahres liegt die Linkspartei Syriza in allen Umfragen vor der konser-vativen Nea
Dimokratia (ND) des bisherigen Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Daran hat
sich auch bis wenige Tage vor den Neuwahlen nichts geändert.
Ende November lag der Vorsprung der Syriza
vor der ND zum Teil bei bis zu 7,5 Prozentpunkten, über den gesamten Dezember hinweg
bei um die 3,5-4 Prozentpunkten.
Zur Erinnerung: Anfang Dezember kündigte Premier
Samaras überraschend an, die Wahl des Staatspräsidenten von Ende Februar auf Mitte
Dezember vorzuziehen. Allerdings standen die Chancen für die Regierung, ihre
Kandidaten im Parlament durchzubringen, von vornherein schlecht. Denn über die dafür
erforderliche Mehrheit verfügte sie nicht und die Opposition hatte bereits deutlich
gemacht, die Wahl scheitern lassen zu wollen, um so Neuwahlen zu erzwingen. Ende
Dezember scheiterte die Präsidentenwahl in der dritten Wahlrunde und damit
stand fest, dass Ende Januar, spätestens Anfang Februar ein neues Parlament gewählt
werden musste.
Syriza-Vorsprung vor Nea Dimokratia wächst wieder
Nach der gescheiterten Präsidentenwahl,
das heißt Anfang Januar, war der Vorsprung der Syriza in den Umfragen zunächst etwas
abgeschmolzen, nämlich auf um die 2,5-3,5 Prozentpunkte. Doch seit der zweiten
Januarwoche verzeichnen die Meinungsforscher für Syriza wieder eine positive
Entwicklung. In den beiden letzten wöchent-lichen Umfragen vergrößerte sich der
Vorsprung der Linkspartei vor der ND von 2,6 auf 3,1 Prozentpunkte (Kapa
Research) (1) beziehungsweise von 4,1 auf 4,6 Prozentpunkte (Metron Analysis) (2).
Diese beiden Umfragen zeichnen für die
Wahl am kommenden Sonntag für die aussichtsreichsten Parteien folgendes Bild
(siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Zum Vergrößern bitte Tabelle anklicken!
Es fällt auf, dass die für die Parteien ermittelten
Zustimmungswerte relativ stark voneinander abweichen. Das deutet darauf hin,
wie hoch jenseits der grundlegenden Tendenzen die Unsicherheit über den genauen
Wahlausgang ist.
Offensichtlich ist, dass sich die Wahl sehr
stark auf die beiden führenden Parteien fokussieren wird. Beide konnten im
Laufe des Januars in den Umfragen sukzessive zulegen. Aber alle Umfragen sehen
Syriza als Wahlgewinner.
Wer wird drittstärkste Partei?
Das Rennen um den Platz der drittstärksten
Partei im Parlament werden – gemessen an den Umfragen im Januar – die
Sozialdemokraten (PaSoK), die neo-faschistische Goldene Morgenröte, die
Kommunisten (KKE) und die Mitte-Links-Partei „To Potami“, die erstmals bei den
Parlamentswahlen antritt, unter sich ausmachen.
Angesichts der angesprochenen Entwicklung
der Umfragewerte stellt sich inzwischen die Frage, ob Syriza im Falle des
Wahlsieges eine absolute Mehrheit erringen könnte.
Wie hoch der Stimmenanteil ist, den die
Linkspartei dafür erreichen muss, hängt allerdings davon ab, wie viele Stimmen
bei der Wahl auf Parteien entfallen, die die 3-Prozenthürde für den Einzug ins
Parlament nicht schaffen. Je größer dieser ist, desto niedriger liegt der
Stimmenanteil für die absolute Mehrheit.
Absolute Mehrheit für Syriza schwer zu erreichen
Laut Meinungsforschern entfallen auf
Parteien, die den Einzug ins griechische Parlament verfehlen, bei den meisten
Wahlen zwischen 5 und 6 Prozent der Stimmen. (3) Allerdings lag deren Anteil
bei der turbulenten Neuwahl im Mai 2012 bei 19 Prozent und für den Fall, dass
sowohl die „Unabhängigen Griechen“
als auch die neue Partei von Ex-Premier Giorgos Papandreou – die „Bewegung Demokratischer Sozialisten“
liegt in Umfragen bei 2,5-3 Prozent – den Einzug ins Parlament nur knapp
verfehlen, könnte er laut einem Bericht bei 10 Prozent oder darüber liegen. (4)
Wie groß der Stimmenanteil für eine
absolute Mehrheit bei unterschiedlich großem Anteil der nicht ins Parlament
einziehenden Parteien wäre, verdeutlicht die folgende Tabelle 2: (5)
Tabelle 2: Zum Vergrößern bitte Tabelle anklicken!
In der jüngsten Umfrage von Metron
Analysis (siehe Tabelle 1) kommt Syriza zwar auf 35,4 Prozent der Stimmen.
Allerdings müsste der Stimmenanteil aller Parteien, die die 3-Prozent-Hürde nicht schaffen, bei 10 Prozent liegen,
damit Syriza alleine regieren könnte.
Das erscheint selbst vor dem Hintergrund
der Metron-Umfrage nicht realistisch zu sein, weil demnach 91 Prozent der
Stimmen auf die in Tabelle 1 aufgeführten 7 Parteien entfallen und die
Umfragen darauf hindeuten, dass es eine Wahl zwischen den beiden führenden
Parteien werden wird. Je mehr Stimmen Syriza und ND erhalten, desto weniger bleiben
für die vielen kleinen Parteien übrig.
Das spricht nicht für einen hohen
Stimmenanteil für die Gruppe der Parteien, die den Einzug ins Parlament
verfehlen. Zudem erreichte Syriza in anderen Umfragen, etwa der von Kapa
Research (siehe Tabelle 1), bisher keinen so hohen Wert wie in der
jüngsten Metron-Befragung.
Mit wem könnte Syriza koalieren?
Syriza wird folglich sehr wahrscheinlich einen
Koalitionspartner brauchen. Mit der Goldenen Morgenröte will niemand koalieren,
ob die PaSoK sich auf ein Bündnis mit Syriza einlassen würde, ist nicht auszuschließen,
aber unklar. Dasselbe gilt für die von Papandreou-Partei „Bewegung Demokratischer Sozialisten“, allerdings vor allem weil
sie laut Umfragen an der 3-Prozent-Hürde scheitern könnte.
Analysten halten ein Bündnis von Syriza
und „To Potami“ für besonders wahrscheinlich.
Alexis Tsipras von der Syriza würde hingegen laut eigener Aussage ein Bündnis
mit den Kommunisten (KKE) vorziehen. (6)
Insgesamt scheinen sich alle kleineren Parteien,
die mit dem Einzug ins Parlament rechnen können, die Option offen halten zu
wollen, auch mit Syriza zu koalieren. Abgesehen von der Nea Dimokratia scheint
wiederum keine dieser Parteien den Sanierungskurs unterstützen zu wollen.
Für die bisher mitregierende PaSoK wird
dieser Versuch zu einem gewagten Eiertanz. Die Papandreou-Partei wiederum, eine
Abspaltung von der PaSoK, ist gerade mal zwei Wochen alt – zu wenig, um ihre
Wahlchancen zuverlässig einschätzen zu können. Es bleibt deswegen abzuwarten,
wie die Wähler am kommenden Sonntag auf den Eiertanz der PaSoK und auf das
Angebot einer Art „Neue PaSoK“ von Papandreou ansprechen werden. Diese Frage
birgt möglicherweise das größte Überraschungspotenzial bei der Wahl.
Fazit
Unter dem Strich lässt sich beim gegenwärtigen
Stand der Dinge in Griechenland festhalten, dass eine von der Syriza geführte Koalitionsregierung
sehr wahrscheinlich ist. Die Umfragen und die Berichterstattung in den Medien
deuten zudem anders als Ende Mai/Anfang Juni 2012 nicht darauf hin, dass
Antonis Samaras die Stimmung bis zur Wahl zugunsten seiner Nea Dimokratia (ND) drehen
kann. Dafür reicht wohl inzwischen auch die Zeit nicht mehr.
Die Tatsache, dass keine der kleineren
Parteien, die gute Aussichten auf den Einzug ins Parlament haben, eine klare
Präferenz für eine Koalition mit der ND gezeigt hat, lässt die Partei darüber
hinaus isoliert dastehen. Alle, die eine ND-Regierung wollen, werden deswegen
wohl auch direkt die ND wählen. Es ist davon auszugehen, dass sich das bereits
in den Umfragewerten widerspiegelt und dass insofern das Potenzial, die
Umfragewerte bei der Wahl nochmals zu toppen, sehr begrenzt sein dürfte.
Große Überraschungen werden insofern eigentlich
nicht mehr erwartet. Ob es doch noch welche gibt, wissen wir erst am
Sonntagabend. Die Reaktion der Märkte am Montagmorgen dürfte entsprechend
ausfallen – sofern es nur um Griechenland geht. Die spannendere Frage ist, wie
die Märkte den Wahlausgang mit Blick auf die Euro-Zone bewerten.
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