Noch ist die Auszählung nicht vollständig abgeschlossen.
148 der insgesamt 158 zu vergebenden Sitze sind nach den Parlamentswahlen in
Irland inzwischen verteilt. (1) Klar ist indes bereits jetzt, dass die
Regierungskoalition von Premier Enda Kenny gescheitert ist. Seine konservative
Fine Gael und die bisher mitregierende Labour-Partei wurden abgewählt und zwar
wegen ihres austeritätspolitischen Kurses, der die Wirtschaftsdaten Irlands heute
zwar wieder deutlich positiver erscheinen lässt, gleichwohl aber größere
Schichten der Bevölkerung schwer gebeutelt hat.
Das Ergebnis der Wahl in Irland
Die großen Gewinner der Wahl sind
Unabhängige Kandidaten, die zusammengerechnet auf 17,83 Prozent der Stimmen und
20 Sitze kommen sowie die ebenfalls konservative Partei Fianna Fail, die ihren
Stimmanteil gegenüber der Wahl von 2011 um knapp sieben Prozentpunkte auf 24,35
Prozent verbessern konnte. Sinn Fein verbesserte sich von 9,9 Prozent auf 13,85
Prozent der Stimmen und wird wahrscheinlich mit 22 Abgeordneten im neuen Parlament
vertreten sein.
Die erforderliche Mehrheit von 80 Sitzen
kann Enda Kenny folglich nur mit der Fianna Fail zusammen erreichen. Andere
Möglichkeiten bieten sich praktisch nicht. Doch die beiden Parteien sind historisch
bedingt tief miteinander verfeindet. Bis zum 10. März muss jedoch eine Lösung
gefunden werden. Denn das ist der späteste Termin für die konstituierende
Sitzung des Parlaments, bei der der Ministerpräsident gewählt wird. (2)
Die Austeritätspolitik oder die „Weimarisierung“ Europas
Damit wiederholt sich in Irland, was bereits
in Griechenland, Polen, Portugal und Spanien geschehen ist. In allen Ländern
wurden die konservativ geführten Regierungen wegen ihres austeritätspolitischen
Kurses abgewählt. Mit Ausnahme von Polen, in der die neu konservative PiS-Regierung
über eine absolute Mehrheit verfügt, herrschen dort überall aufgrund der neuen
Sitzverteilung ausgesprochen schwierige Bedingungen für die Bildung stabiler
Regierungen.
So verfügt die von der Linkspartei Syriza
geführte Regierungskoalition in Griechenland nur noch über eine knappe Mehrheit
von drei Stimmen im Parlament. Doch diese droht sie aufgrund der
innerparteilichen Widerstände gegen die von den Gläubigern geforderten Reformen
zu verlieren. Portugal hat lediglich eine sozialistische Minderheitsregierung,
die sich auf eine sehr fragile Unterstützung seitens zweier linker Parteien stützt.
Und in Spanien läuft aktuell ebenfalls alles auf eine sozialistische
Minderheitsregierung zu.
Es ist keinesfalls auszuschließen, dass es
in allen vier, mit Finanzhilfen von der Euro-Gruppe und dem IWF geretteten
Euro-Staaten – Irland, Griechenland, Portugal und Spanien – recht bald schon
Neuwahlen geben könnte. Ob dadurch stabile Mehrheiten zustande kommen würden,
ist mehr als fraglich. De facto wandeln diese Länder politisch hart am Rande
der Unregierbarkeit und das ist ohne Zweifel eine Folge des auf europäischer
Ebene forcierten austeritätspolitischen Sanierungskurses.
Die Krise der EU ist eine Krise der Sozialdemokratie
Der italienische Ministerpräsident und
Sozialdemokrat Matteo Renzi hat mit seiner nach der Parlamentswahl in Spanien
Ende Dezember geäußerten Kritik am austeritätspolitischen Kurs wie auch mit
seiner Prognose bezüglich der Zukunftsperspektiven von Regierungsparteien, die
Austeritätspolitik betreiben, richtig gelegen. (3) Was er nicht erkannt zu
haben scheint, ist, dass linke und sozialdemokratische Parteien überall in
Europa bei Wahlen teilweise noch stärker abgestraft werden als die Konservativen
und zwar deswegen, weil sie nicht in der Lage sind eine schlüssige Alternative
zur Austeritätspolitik anzubieten und erfolgreich durchzusetzen. Irland ist
dafür ein Beispiel, aber ebenso Spanien und Griechenland.
Die generelle Schwäche sozialdemokratischer
Parteien in der EU bei der Suche nach starken alternativen Antworten zur
Politik konservativer Parteien könnte angesichts der vielen Krisen, die die EU
belasten, auch die Sozialdemokraten in Deutschland bald einholen, obwohl
hierzulande gar keine Austeritätspolitik betrieben wird. Für die bevorstehenden
Landtagswahlen verheißen die Meinungsumfragen jedenfalls nichts Gutes – und das
liegt vor allem an von der SPD mitgetragenen, aber umstrittenen
Flüchtlingspolitik der Regierungskoalition und kaum an spezifischen
landespolitischen Fragen. Was also wird erst geschehen, wenn sich auch die
Wirtschaftsperspektiven Deutschlands zunehmend verschlechtern?
Vor diesem Hintergrund müssen sich Linke
und Sozialdemokraten in der EU generell fragen, inwieweit sie bei den Wählern überhaupt
noch als traditionelle, wählbare Alternative zu konservativen Parteien wahrgenommen
werden, wenn sie nicht in der Lage sind, alternative und vor allem auch zugkräftige
Antworten auf die drängendsten Fragen anzubieten. (4) Das zeigt sich nicht zuletzt
auch in Frankreich. Den konservativen Kurs mitzutragen, erweist sich inzwischen
für sie regelmäßig als fatal.
Die Hoffnung der Wähler auf andere
Lösungen wurde jedenfalls von Labour in Irland ebenso wenig erfüllt wie von der
sozialdemokratischen PaSoK und später von der Linkspartei Syriza in
Griechenland. Dem steilen Aufstieg folgte deswegen der Absturz. Es war ein
Absturz mit Ansage. Die Krise der Europäischen Union ist deswegen letztlich
auch eine Krise der Sozialdemokratie.
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