Es ist wirklich abgedreht, bizarr oder in
Englisch „weird“. Noch nie waren beide Top-Präsidentschaftskandidaten so
unbeliebt bei der US-Bevölkerung. (1) Selbst namhafte US-Politiker wie Colin Powell lassen – wie
geleakte E-Mail zeigen – kein gutes Haar an ihnen. (2) Doch der Wahlkampf der
Unbeliebten toppt alles.
Donald Trump, ein Republikaner außer Rand und Band
Der republikanische
Präsidentschaftskandidat Donald Trump schockt immer wieder mit seiner Planlosigkeit,
seiner Unberechenbarkeit und mit schockierenden Äußerungen, die die US- und
internationale Presse in einem noch nie dagewesenen Maße ausschlachten.
Gestoppt oder gar aus dem Rennen geworfen hat
ihn das bisher jedoch nicht, auch nicht der riesige Medienwirbel um seine
skandalösen sexistischen Äußerungen in einem Video von 2005. Trump scheut auch
nicht vor Tabu-Brüchen zurück, etwa das Wahlergebnis gegebenenfalls nicht
anzuerkennen. So etwas hat es in den USA noch nicht gegeben.
Hillary Clintons schwerer Sack von schlecht gehüteten Altlasten
Die demokratische Spitzenkandidatin
Hillary Clinton wiederum hat ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem und die
ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit ihrer E-Mail-Affäre sowie der
mutmaßlichen Verquickung ihrer Tätigkeit als US-Außenministerin und der Clinton
Foundation (3) verfolgen und belasten sie. Dies beweist auch der äußerst ungewöhnliche
Schritt des FBI-Chefs James Comey, aufgrund neuer E-Mail-Funde und gegen den Wunsch
der US-Justizministerin (4) die Wiederaufnahme der Ermittlungen im Zusammenhang
mit der Nutzung ihres privaten Computers für Dienst-E-Mails jetzt, nur wenige
Tage vor der Wahl, anzukündigen. (5) (6)
Es soll dabei um mehr als 10.000 E-Mails
gehen, die im Rahmen von Ermittlungen in einem anderen Fall auf einem Laptop
gefunden wurden. (7) Er gehört einer engen Vertrauten Clintons, Huma Abedin und
wurde von deren Mann, dem ehemaligen demokratischen Kongressabgeordneten
Anthony Weiner, der über einen Sexskandal stolperte und deswegen in den Fokus
des FBI geriet, mitgenutzt. (8)
Damit sind es nicht mehr nur die von
WikiLeaks im Wochentakt veröffentlichten E-Mails von Clinton und ihrem Wahlkampfteam
(9), die ihr das Leben schwer machen, sondern jetzt eben auch (wieder) das FBI.
Clinton wird nun nicht mehr nur die Russen des Versuchs der Wahlbeeinflussung
bezichtigen können, wenn man es genau nimmt und man darf sich fragen, was bis
zum 8. November noch alles an das Licht der Öffentlichkeit gelangt.
Chaotischer Vorwahlkampf, bizarrer Wahlkampf
Schon der Vorwahlkampf bis zu den
Nominierungsparteitagen stellte alles in den Schatten, was es in der US-Geschichte
gegeben hat.
Die Republikaner fielen über einen
pöbelnden und großspurigen Donald Trump her und ließen nichts unversucht, um
seine Nominierung zu verhindern. Vergebens. Zum Schluss nominierten sie ihn
dann doch, allerdings nur, um ihm bei der nächstbesten Gelegenheit, nämlich der
Veröffentlichung des über zehn Jahre alten Videos, in dem Trump mit
sexistischen Äußerungen über Frauen herzieht, öffentlich ihre Unterstützung
wieder zu entziehen.
Clintons Vorwahlkampf war ebenfalls alles
andere als sauber. Mit unerlaubter Unterstützung aus der an sich zu Neutralität
verpflichteten obersten Parteiführung boxte sie ihren unerwartet starken und
beliebten Rivalen Bernie Sanders aus dem Rennen. Nach von WikiLeaks
veröffentlichten internen Mails der Demokraten, die dies belegten (10), rollten
bei den Demokraten die Köpfe (11) – Clinton wurde dennoch nominiert. Sanders
hat sich mit der Faust in der Tasche hinter Clinton gestellt. Die treuen
Sanders-Anhänger aber hegen zum Teil eine ähnlich große Abneigung gegen Clinton
wie gegen Trump. Das macht es für Clinton bei der Wahl gewiss nicht einfacher.
Kurz vor dem Nominierungsparteitag hatte zudem
das FBI bekanntgegeben, dass es in der E-Mail-Affäre keinen ausreichenden
Verdacht gegen Clinton gebe, um Ermittlungen gegen sie einzuleiten. (12) Wäre
das geschehen, wäre die Nominierung von Clinton für die Demokraten zu einem Problem
geworden. Eine Präsidentschaftskandidatin, gegen die Ermittlungen laufen, das
wäre bei den Wählern sicher nicht gut angekommen. Am letzten Freitag nun hat
das FBI es sich aufgrund neu aufgefundener E-Mail wieder anders überlegt. Der
Fall wird neu aufgerollt, sehr zur Freude der Republikaner.
Ohne Frage, sowohl der Vorwahlkampf als
auch der eigentliche Wahlkampf in den USA sind derart abgedreht gewesen, dass eigentlich
nichts mehr überraschen kann. Keine Würde, nichts ist heilig, eine
Schlammschlacht, bei der alle und vor allem die Medien und natürlich WikiLeaks nach
Herzenslust mitmischen und es trotz fortlaufend veröffentlichter Umfragen schwierig
erscheint einzuschätzen, wie die Wahl tatsächlich ausgehen wird.
Clintons Siegchancen sind den Auguren zufolge unverändert gut
Die Umfragen geben Clinton eine
95-prozentige Chance auf das Präsidentenamt. (13) Daran hat sich offenbar auch
aktuell nichts geändert. (14) Gleichwohl gibt es nicht wenige Stimmen, nicht
zuletzt Trump selbst, die an der Aussagekraft der Umfragen zweifeln. (15)
Es wäre in der jüngeren Geschichte nicht
das erste Mal, wenn es ganz anders ausgeht als Umfragen es erwarten lassen. Das
Brexit-Referendum ist dafür ein gutes, aktuelles Beispiel dafür. Niemand hatte
mit einer Mehrheit für die Brexit-Befürworter gerechnet. Bei Parlamentswahlen in
vielen Ländern haben die Wähler den Parteien in den vergangenen Monaten immer
wieder Ergebnisse beschert, die keine klaren Mehrheiten schafften. Irland,
Spanien, Australien sind prominente Beispiele dafür.
Freilich, die Ankündigung des FBI-Chefs
Comey allein, Clintons Fall neu aufzurollen, macht einen Sieg Donald Trumps
ganz sicher nicht wahrscheinlich. Clinton führt im Rennen ums Weiße Haus (den
Umfragen zufolge) nach wie vor klar. Aber es könnte vielleicht viel knapper ausgehen
als gedacht.
Wer auch immer Präsident wird, muss mit einer Blockadepolitik im Kongress rechnen
Doch wie auch immer die
US-Präsidentschaftswahl ausgeht, viel ändern dürften sich an den
Machtverhältnissen im US-Kongress aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Das
Regieren wird schwierig bleiben. Republikaner und Demokraten werden sich
angesichts der im Wahlkampf erkennbaren unüberbrückbaren und unversöhnlichen Differenzen
und der schwer vorbelasteten Präsidentschaftskandidaten weiter blockieren. (16)
Doch unter dem Strich bleibt der Eindruck,
dass die beiden großen Parteien und ihre Kandidaten im ganzen Wahlkampf ein für
eine so große und für die Welt wichtige Nation unangemessenes, unwürdiges
Schauspiel geliefert haben.
Die USA haben mit dieser Wahl politisch einen historischen Tiefpunkt erreicht
Die USA sind ein Land mit vielfältigen, ernsten
Problemen. Armut, Rassendiskriminierung, Gewalt, ausufernde Staatsschulden, eine
marode Infrastruktur und anhaltende Wachstumsschwäche sind nur einige Beispiele
dafür. Nichts deutet darauf hin, dass es im Wahlkampf darum gegangen ist, kluge
und praktikable Lösungen dafür anzubieten. Im Gegenteil haben beide Kandidaten lediglich
sich selbst inszeniert und Luftschlösser gebaut.
Der US-Wahlkampf ist zum Karrierevehikel von
Kandidaten verkommen, die genau genommen beide nicht für das Präsidentenamt geeignet
sind. Und wenn es eine wirklich beunruhigende Botschaft aus dem US-Wahlkampf an
den Rest der Welt gibt, dann dies.
Möge der Skrupelloseste gewinnen, so
könnte sarkastisch ausgedrückt das Motto der US-Wahl 2016 lauten. Gut möglich,
dass es in den USA deswegen viele nicht über sich bringen werden, zur Wahl zu
gehen. Mit gutem Gewissen kann man keinen der beiden Top-Kandidaten wählen. Politisch
sind die USA mit dieser Wahl zweifellos an einem historischen Tiefpunkt
angelangt.
"etwa das Wahlergebnis gegebenenfalls nicht anzuerkennen"
AntwortenLöschenDas ist eine glatte Lüge. Die Wahlen sind schon oft nicht anerkannt worden, das ist alles bewiesen und lange bekannt. Ebenso wie die Wahlfälschungen und die Möglichkeiten dazu.
Warum sich jemand überhaupt mit dieser Freak-Show beschäftigt ist mir vollkommen unverständlich. Glauben die Menschen wirklich daran, dass es in unseren westlichen Fassadendemokratien von Belang ist, wer da das Püppchen spielen darf, das da an den Fäden der wirkmächtigen Eliten hängt? Das erinnert mich an das Warten auf die Zahnfee, die alles zum Guten wendet. Nur das Problem besteht darin, dass die Zahnfee noch nie gekommen ist - und auch dieses mal wird sie nicht kommen! Entweder begreifen wir das alle gemeinsam so langsam oder wir befinden uns bald in einem WKIII. Das Strategiepapier von CNAS (Center for a New American Security) ist ja seit Mai 2016 fertig - da kann man schon mal sehen, wie das die nächsten Jahre weiter geht:
AntwortenLöschenExtending American Power
Strategies to Expand U.S. Engagement in a Competitive World Order
https://www.cnas.org/publications/reports/extending-american-power-strategies-to-expand-u-s-engagement-in-a-competitive-world-order
Lustigerweise reden die immer von "Verteidigungs- und Sicherheitspolitik", dabei ist es eine Kriegserklärung an die Welt!
Aber na gut, diskutieren wir ruhig über Trump und Clinton ...