Sonntag, 30. Oktober 2016

Der US-Präsidentschaftswahlkampf mit einem Wort: „bizarr“




Es ist wirklich abgedreht, bizarr oder in Englisch „weird“. Noch nie waren beide Top-Präsidentschaftskandidaten so unbeliebt bei der US-Bevölkerung. (1) Selbst namhafte US-Politiker wie Colin Powell lassen – wie geleakte E-Mail zeigen – kein gutes Haar an ihnen. (2) Doch der Wahlkampf der Unbeliebten toppt alles.

Donald Trump, ein Republikaner außer Rand und Band

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump schockt immer wieder mit seiner Planlosigkeit, seiner Unberechenbarkeit und mit schockierenden Äußerungen, die die US- und internationale Presse in einem noch nie dagewesenen Maße ausschlachten.
Gestoppt oder gar aus dem Rennen geworfen hat ihn das bisher jedoch nicht, auch nicht der riesige Medienwirbel um seine skandalösen sexistischen Äußerungen in einem Video von 2005. Trump scheut auch nicht vor Tabu-Brüchen zurück, etwa das Wahlergebnis gegebenenfalls nicht anzuerkennen. So etwas hat es in den USA noch nicht gegeben.

Hillary Clintons schwerer Sack von schlecht gehüteten Altlasten

Die demokratische Spitzenkandidatin Hillary Clinton wiederum hat ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem und die ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit ihrer E-Mail-Affäre sowie der mutmaßlichen Verquickung ihrer Tätigkeit als US-Außenministerin und der Clinton Foundation (3) verfolgen und belasten sie. Dies beweist auch der äußerst ungewöhnliche Schritt des FBI-Chefs James Comey, aufgrund neuer E-Mail-Funde und gegen den Wunsch der US-Justizministerin (4) die Wiederaufnahme der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Nutzung ihres privaten Computers für Dienst-E-Mails jetzt, nur wenige Tage vor der Wahl, anzukündigen. (5) (6)
Es soll dabei um mehr als 10.000 E-Mails gehen, die im Rahmen von Ermittlungen in einem anderen Fall auf einem Laptop gefunden wurden. (7) Er gehört einer engen Vertrauten Clintons, Huma Abedin und wurde von deren Mann, dem ehemaligen demokratischen Kongressabgeordneten Anthony Weiner, der über einen Sexskandal stolperte und deswegen in den Fokus des FBI geriet, mitgenutzt. (8)
Damit sind es nicht mehr nur die von WikiLeaks im Wochentakt veröffentlichten E-Mails von Clinton und ihrem Wahlkampfteam (9), die ihr das Leben schwer machen, sondern jetzt eben auch (wieder) das FBI. Clinton wird nun nicht mehr nur die Russen des Versuchs der Wahlbeeinflussung bezichtigen können, wenn man es genau nimmt und man darf sich fragen, was bis zum 8. November noch alles an das Licht der Öffentlichkeit gelangt.

Chaotischer Vorwahlkampf, bizarrer Wahlkampf

Schon der Vorwahlkampf bis zu den Nominierungsparteitagen stellte alles in den Schatten, was es in der US-Geschichte gegeben hat.
Die Republikaner fielen über einen pöbelnden und großspurigen Donald Trump her und ließen nichts unversucht, um seine Nominierung zu verhindern. Vergebens. Zum Schluss nominierten sie ihn dann doch, allerdings nur, um ihm bei der nächstbesten Gelegenheit, nämlich der Veröffentlichung des über zehn Jahre alten Videos, in dem Trump mit sexistischen Äußerungen über Frauen herzieht, öffentlich ihre Unterstützung wieder zu entziehen.
Clintons Vorwahlkampf war ebenfalls alles andere als sauber. Mit unerlaubter Unterstützung aus der an sich zu Neutralität verpflichteten obersten Parteiführung boxte sie ihren unerwartet starken und beliebten Rivalen Bernie Sanders aus dem Rennen. Nach von WikiLeaks veröffentlichten internen Mails der Demokraten, die dies belegten (10), rollten bei den Demokraten die Köpfe (11) – Clinton wurde dennoch nominiert. Sanders hat sich mit der Faust in der Tasche hinter Clinton gestellt. Die treuen Sanders-Anhänger aber hegen zum Teil eine ähnlich große Abneigung gegen Clinton wie gegen Trump. Das macht es für Clinton bei der Wahl gewiss nicht einfacher.
Kurz vor dem Nominierungsparteitag hatte zudem das FBI bekanntgegeben, dass es in der E-Mail-Affäre keinen ausreichenden Verdacht gegen Clinton gebe, um Ermittlungen gegen sie einzuleiten. (12) Wäre das geschehen, wäre die Nominierung von Clinton für die Demokraten zu einem Problem geworden. Eine Präsidentschaftskandidatin, gegen die Ermittlungen laufen, das wäre bei den Wählern sicher nicht gut angekommen. Am letzten Freitag nun hat das FBI es sich aufgrund neu aufgefundener E-Mail wieder anders überlegt. Der Fall wird neu aufgerollt, sehr zur Freude der Republikaner.
Ohne Frage, sowohl der Vorwahlkampf als auch der eigentliche Wahlkampf in den USA sind derart abgedreht gewesen, dass eigentlich nichts mehr überraschen kann. Keine Würde, nichts ist heilig, eine Schlammschlacht, bei der alle und vor allem die Medien und natürlich WikiLeaks nach Herzenslust mitmischen und es trotz fortlaufend veröffentlichter Umfragen schwierig erscheint einzuschätzen, wie die Wahl tatsächlich ausgehen wird.

Clintons Siegchancen sind den Auguren zufolge unverändert gut

Die Umfragen geben Clinton eine 95-prozentige Chance auf das Präsidentenamt. (13) Daran hat sich offenbar auch aktuell nichts geändert. (14) Gleichwohl gibt es nicht wenige Stimmen, nicht zuletzt Trump selbst, die an der Aussagekraft der Umfragen zweifeln. (15)
Es wäre in der jüngeren Geschichte nicht das erste Mal, wenn es ganz anders ausgeht als Umfragen es erwarten lassen. Das Brexit-Referendum ist dafür ein gutes, aktuelles Beispiel dafür. Niemand hatte mit einer Mehrheit für die Brexit-Befürworter gerechnet. Bei Parlamentswahlen in vielen Ländern haben die Wähler den Parteien in den vergangenen Monaten immer wieder Ergebnisse beschert, die keine klaren Mehrheiten schafften. Irland, Spanien, Australien sind prominente Beispiele dafür.
Freilich, die Ankündigung des FBI-Chefs Comey allein, Clintons Fall neu aufzurollen, macht einen Sieg Donald Trumps ganz sicher nicht wahrscheinlich. Clinton führt im Rennen ums Weiße Haus (den Umfragen zufolge) nach wie vor klar. Aber es könnte vielleicht viel knapper ausgehen als gedacht.

Wer auch immer Präsident wird, muss mit einer Blockadepolitik im Kongress rechnen

Doch wie auch immer die US-Präsidentschaftswahl ausgeht, viel ändern dürften sich an den Machtverhältnissen im US-Kongress aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Das Regieren wird schwierig bleiben. Republikaner und Demokraten werden sich angesichts der im Wahlkampf erkennbaren unüberbrückbaren und unversöhnlichen Differenzen und der schwer vorbelasteten Präsidentschaftskandidaten weiter blockieren. (16)
Doch unter dem Strich bleibt der Eindruck, dass die beiden großen Parteien und ihre Kandidaten im ganzen Wahlkampf ein für eine so große und für die Welt wichtige Nation unangemessenes, unwürdiges Schauspiel geliefert haben.

Die USA haben mit dieser Wahl politisch einen historischen Tiefpunkt erreicht

Die USA sind ein Land mit vielfältigen, ernsten Problemen. Armut, Rassendiskriminierung, Gewalt, ausufernde Staatsschulden, eine marode Infrastruktur und anhaltende Wachstumsschwäche sind nur einige Beispiele dafür. Nichts deutet darauf hin, dass es im Wahlkampf darum gegangen ist, kluge und praktikable Lösungen dafür anzubieten. Im Gegenteil haben beide Kandidaten lediglich sich selbst inszeniert und Luftschlösser gebaut.
Der US-Wahlkampf ist zum Karrierevehikel von Kandidaten verkommen, die genau genommen beide nicht für das Präsidentenamt geeignet sind. Und wenn es eine wirklich beunruhigende Botschaft aus dem US-Wahlkampf an den Rest der Welt gibt, dann dies.
Möge der Skrupelloseste gewinnen, so könnte sarkastisch ausgedrückt das Motto der US-Wahl 2016 lauten. Gut möglich, dass es in den USA deswegen viele nicht über sich bringen werden, zur Wahl zu gehen. Mit gutem Gewissen kann man keinen der beiden Top-Kandidaten wählen. Politisch sind die USA mit dieser Wahl zweifellos an einem historischen Tiefpunkt angelangt.

2 Kommentare:

  1. "etwa das Wahlergebnis gegebenenfalls nicht anzuerkennen"
    Das ist eine glatte Lüge. Die Wahlen sind schon oft nicht anerkannt worden, das ist alles bewiesen und lange bekannt. Ebenso wie die Wahlfälschungen und die Möglichkeiten dazu.

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  2. Warum sich jemand überhaupt mit dieser Freak-Show beschäftigt ist mir vollkommen unverständlich. Glauben die Menschen wirklich daran, dass es in unseren westlichen Fassadendemokratien von Belang ist, wer da das Püppchen spielen darf, das da an den Fäden der wirkmächtigen Eliten hängt? Das erinnert mich an das Warten auf die Zahnfee, die alles zum Guten wendet. Nur das Problem besteht darin, dass die Zahnfee noch nie gekommen ist - und auch dieses mal wird sie nicht kommen! Entweder begreifen wir das alle gemeinsam so langsam oder wir befinden uns bald in einem WKIII. Das Strategiepapier von CNAS (Center for a New American Security) ist ja seit Mai 2016 fertig - da kann man schon mal sehen, wie das die nächsten Jahre weiter geht:


    Extending American Power

    Strategies to Expand U.S. Engagement in a Competitive World Order

    https://www.cnas.org/publications/reports/extending-american-power-strategies-to-expand-u-s-engagement-in-a-competitive-world-order

    Lustigerweise reden die immer von "Verteidigungs- und Sicherheitspolitik", dabei ist es eine Kriegserklärung an die Welt!
    Aber na gut, diskutieren wir ruhig über Trump und Clinton ...

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